Bauträger – Unwirksame Abnahmeklausel erlaubt Rosinenpicken für Erwerber

Unwirksame Abnahmeklausel im Bauträgervertrag führt zu einer Summierung von Nachteilen

 

BGH Urteil vom 09.11.2023, VII ZR 241/22

Leitsatz 

Es bleibt dabei, dass eine Klausel im Erwerbsvertrag, wonach der vom Bauträger bestimmte Erstverwalter das Gemeinschaftseigentum abnimmt, unwirksam ist. Es bleibt dabei, dass der Bauträger sich gegenüber Mängelansprüchen der Erwerber nicht auf die fehlende Abnahme berufen kann. Neu: Eine Verjährung von Gewährleistungsansprüchen beginnt nicht allein dadurch, dass die Eigentümer zuvor Gewährleistungsansprüche durchgesetzt haben. Dies gilt auch dann nicht, wenn die Erfüllungsansprüche nach 10 Jahren verjährt wären.

Sachverhalt

Der Bauträger errichtet Eigentumswohnungen und bestimmt in den Erwerbsverträgen (alle aus dem Jahr 2005), dass der von ihm in der Teilungserklärung bestimmte Erstverwalter das Gemeinschaftseigentum abnehmen soll. Eine solche Abnahmeerklärung wird auch 2005 abgegeben. In den Jahren 2007 und 2014 setzen die Eigentümer Mängelgewährleistungsansprüche durch. Im Jahr 2020 wird Kostenvorschuss für einen weiteren Mangel eingeklagt. Der Bauträger beruft sich u.a. auf Verjährung. Damit gewinnt er bis zum OLG Schleswig.

Entscheidung

Der BGH hebt die Entscheidung auf. Eine Verjährung ist auf Basis der Feststellungen des OLG nicht eingetreten.

Zunächst bestätigt der BGH seine frühere Rechtsprechung: Eine solche Abnahmeklausel, die den Erwerbern ihr Recht aus der Hand nimmt, selbst über die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu entscheiden, und damit den selbst ernannten Erstverwalter betraut, ist unwirksam. Der Bauträger kann sich allerdings, wenn die Erwerber Mängelansprüche an ihn herantragen, auf die fehlende Abnahme selbst nicht berufen. Er muss sich behandeln lassen, als wenn die Abnahme wirksam erfolgt wäre.

Neu ist die Folgefrage: Das OLG Schleswig hatte angenommen, wenn sich der Bauträger so behandeln lassen muss, als wäre abgenommen, könnten sich die Erwerber „ab dem 2. Gewährleistungsfall‟ ebenfalls nicht mehr auf die fehlende Abnahme berufen – hergeleitet aus Treu und Glauben, konkret dem Verbot des selbstwidersprüchlichen Verhaltens.

Diesen Weg geht der BGH nicht mit. Die Erwerber könnten sich auf die Abnahme berufen, um Ansprüche geltend zu machen, ohne gleichzeitig den Verjährungsbeginn nach wirksamer Abnahme akzeptieren zu müssen. Diese Konsequenz sei aus dem AGB-Recht zu ziehen. Dem steht Treu und Glauben nicht entgegen. Das vermeintlich selbstwidersprüchliche Handeln ist nach den Wertungen des AGB-Rechts keines und stelle erst recht keinen unlösbaren Widerspruch dar. Der Bauträger habe bei erfolgter Inanspruchnahme auch kein schutzwürdiges Vertrauen aufbauen können, dass sich die Erwerber später nicht auf die Unwirksamkeit der Abnahme berufen würden.

Ein weiterer Ausweg wird im Vorübergehen blockiert: Zwar ist rechnerisch die Verjährungsfrist für Erfüllungsansprüche (10 Jahre ab Kauf) für alle Erwerber im Jahr 2015 abgelaufen. Daraus sind für den Fall aber keine Konsequenzen zu ziehen. Wann Erfüllungsansprüche verjähren und ob das generell Auswirkungen auf die Verjährung von Gewährleistungsansprüche hätte, lässt der BGH offen. Jedenfalls in der gegebenen Konstellation hilft es dem Bauträger nicht, da er sich – siehe oben – behandeln lassen muss, als ob abgenommen wäre.

Anmerkung

Seit jeher gibt es Versuche von Bauträgern, die Abnahmefrage im Vertrags zu ihren Gunsten zu gestalten. Dabei ist das Hauptinteresse – neben einem unproblematischen Ablauf -, die Gewährleistungsfrist für das Gemeinschaftseigentum einheitlich auf einen möglichst frühen Zeitpunkt zu legen und zu verhindern, dass der Verkauf an Nachzügler noch einmal die volle Frist von fünf Jahren auslöst.

Aus rechtlicher Sicht ist das bedenklich, wenn der zur Abnahme berufene Verwalter oder auch Sachverständige erkennbar im Lager des Bauträgers steht oder von ihm wirtschaftlich in gewisser Weise abhängig ist. Diese Fälle sind entschieden. Aber auch wenn die Personen neutral wären, würde ich meine Hand für eine solche Klausel nicht ins Feuer legen: zu wichtig ist doch das Recht, selbst über die Abnahme entscheiden zu dürfen. Zumindest müsste der Erwerber die Möglichkeit erhalten, mittels „opt out‟ wieder selbst zuständig zu werden.

Die zweite wesentliche Erkenntnis aus der Entscheidung: Schon mehrere Obergerichte hat die „Rosinenpickerei‟ gestört, die mit der Unwirksamkeit der Abnahme verbunden ist. Sollen die Erwerber denn unbegrenzt Gewährleistungsrechte geltend machen können?

Das OLG Schleswig: Wer Gewährleistungsrechte verfolgt, der muss auch akzeptieren, dass eine Verjährungsfrist läuft – unverjährbare Gewährleistungsrechte gibt es nicht. Zuvor u.a. das OLG Köln: Wer sich darauf beruft, in Wahrheit nicht abgenommen zu haben, der muss damit leben, dass die dann bestehenden Erfüllungsansprüche verjähren und dann Ansprüche wegen Mängeln ausschließen.

Der BGH: Beide Ideen werden in der Sache verworfen. Wesentlich ist nämlich eine AGB-rechtliche Sicht der Dinge. Die verwendete Klausel ist aus Sicht eines Verwendungsgegners (Erwerbers) gleichzeitig positiv und negativ. Sie sorgt für einen schnellen Erhalt der Gewährleistungsrechte (positiv), aber auch für einen frühen Verjährungsbeginn (negativ). Verwenderfreundlich ist die Auslegung, mit der man die Abnahmewirkungen trennt: Gewährleistungsansprüche ja, Verjährungsbeginn nein. Wir kennen das aus Klauselwerken, bei denen der Verwendungsgegner ihm günstige Klauseln behalten und ungünstige ablehnen darf.

Weil das so ist, ist dieses etwas schizophren anmutende Handeln der Erwerber eben kein Selbstwiderspruch und begründet kein Vertrauen des Bauträgers. Auf Erfüllungsansprüche (10 Jahre Verjährung ab Vertragsschluss) sind die Erwerber in dieser Konstellation gar nicht angewiesen, weil sie behandelt werden müssen, als ob es Gewährleistungsansprüche nach Abnahme gäbe.

Ob sich eine Lösung aus Sicht des Bauträgers ergibt, die eine ewige Gewährleistung ausschließen, bleibt weiterhin offen. Eine Möglichkeit liegt sicher darin, in den sauren Apfel zu beißen und die Abnahme nachzuholen. Und irgendwann kommen Aspekte von Treu und Glauben (z.B. Verwirkung) ins Spiel. Dazwischen bleibt wohl nach diesem Urteil nicht viel Juristisches, an das man anknüpfen könnte. Allerdings werden auch die Klauseln immer seltener, weil die Branche inklusive Notare dazulernen – für die Zukunft sind wirksame Abnahmeklauseln, bei denen die Erwerber selbst entscheiden, sicher das beste Rezept.

(Dr. Harald Scholz)

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