Tiefbauunternehmen darf auf Bestandsauskunft des Versorgungsunternehmens vertrauen

OLG Brandenburg, Urteil vom 05.04.2017 – Az.: 4 U 24/16

Sachverhalt
Der Kläger, ein kommunaler Wasserverband, begehrt von der Beklagten 1), als u.a. auf Anlagenbau spezialisiertes Unternehmen, sowie von der Beklagten zu 2), als von der Beklagten zu 1) beauftragtes Tiefbauunternehmen, Schadenersatz wegen der Beschädigung einer Grundstücksanschlussleitung zur Schmutzwasserleitung im Rahmen von Kabelverlegungsarbeiten mittels Bohrverfahren, welche in der an die Beklagte zu 1) erteilte Bestandsauskunft des Klägers nicht eingezeichnet gewesen ist.

Nachdem die Klage in I. Instanz abgewiesen worden ist, vertritt der Kläger in der Berufung weiterhin die Auffassung, dass die Beklagte zu 2) damit hätte rechnen müssen, dass einzelne Leitung nicht oder nicht korrekt in der Bestandauskunft eingezeichnet gewesen sind. Insbesondere hätte sich die Existenz weiterer Leitung aufgedrängt, da ein Gebäudekomplex dieser Größe regelmäßig über mehr als einen Anschluss verfüge. Außerdem hätte die Beklagte zu 2) sich einweisen lassen müssen, wie es in dem an die Beklagte 1) übermittelten Merkblatt ausgeführt ist. In diesem wurde u. a. ausgeführt:

„Dem W. liegen nicht in jedem Fall vermessene Bestandsunterlagen vor. Daher können die Eintragungen im Lageplan vom tatsächlichen Trassenverlauf abweichen. Die Tiefenlage der Leitungen, Kanäle und Kabel kann sich durch nachträgliche Geländeregulierungsarbeiten entgegen den Angaben im Bestandsplan geändert haben. Zur Vermeidung von Schäden an unseren Anlagen, sind in jedem Fall vor Beginn der Bauarbeiten örtliche Einweisungen zu vereinbaren.“

Jedenfalls hafte die Beklagte zu 1), da sie die Beklagte zu 2) über die Sicherheitsinformationen nicht hinreichend unterrichtet habe bzw. die Beklagte zu 2) nicht ausreichend überwacht habe.

Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen.

Entscheidung
Das OLG betont nochmals, dass derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen hat, um eine Schädigung auszuschließen. Insbesondere auf Grund der unverhältnismäßig großen Gefahren, die durch eine Beschädigung von Versorgungsleitungen hervorgerufen werden können, sind an die Verkehrssicherungspflichten von Tiefbauunternehmen besonders hohe Anforderungen zu stellen. Daher ist vor allem bei der Verwendung von Baggern oder anderem schwerem Arbeitsgerät äußerte Vorsicht geboten. Daher hat das Tiefbauunternehmen sich über die Lage von Versorgungsleitungen Gewissheit zu verschaffen. Hierzu genügt nicht die Einholung einer Auskunft der kommunalen Bauämter, da die Versorgungsleitungen regelmäßig ohne deren Beteiligung verlegt werden. Vielmehr besteht die Erkundigungspflicht gegenüber dem zuständigen Versorgungsunternehmen. Sollte dies nicht ausreichen, muss durch andere Maßnahmen, wie etwa Probebohrungen oder Ausschachtungen, die erforderliche Gewissheit verschafft werden. Diesen Anforderungen haben die Beklagten nach Ansicht des OLG genügt.

Im weiteren Verfahren unstreitig, hat die Beklagte zu 1) sowohl die Bestandsauskunft als auch das Merkblatt des Klägers an die Beklagte zu 2) weitergeleitet. Daher war die Einholung einer eigenen Bestandauskunft durch die Beklagte zu 2) nicht erforderlich. Weitere Erkundigungen waren nicht erforderlich. Insbesondere durften die Beklagten auf den Inhalt der Bestandsauskunft vertrauen. Weitere Erkundigungen waren auch nach dem Merkblatt nicht erforderlich, da sich dieses bereits nach dem Wortlaut auf die Lage eingezeichneter Versorgungsleitung bezieht. Die beschädigte Leitung war jedoch weder eingezeichnet, noch den Beklagten anderweitig bekannt. Daher war auch eine örtliche Einweisung nicht erforderlich.

Auch die Größe des versorgten Gebäudekomplexes kann nicht das Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Bestandsauskunft erschüttern, da es unstreitig technisch möglich ist, den Gebäudekomplex mit nur einem Anschluss zu versorgen.

Abschließend weist das OLG noch darauf hin, dass selbst wenn eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angenommen werden könnte, der Anspruch an einem Mitverschulden des Klägers scheitert, da unstreitig dem Bereichsleiter Schmutzwasser/Entsorgung des Klägers die Existenz der beschädigten Leitung bekannt gewesen ist und dieses Wissen dem Kläger entsprechend § 166 BGB zuzurechnen ist. Daher hat der Kläger wider besseres Wissen den Beklagten eine unzutreffende Bestandsauskunft erteilt.

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