Sturz im Pflegeheim — Wer zahlt?
OLG Hamm, Urteil vom 2.7.2009 — Aktenzeichen: 26 U 27/09
Das OLG Hamm hatte sich in einer jüngeren Entscheidung damit zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen ein Pflegeheim beweisen muss, dass ein Sturzereignis eines Heimbewohners nicht durch eine Pflichtverletzung des Pflegeheims verursacht wurde.
Grundsätzlich hat der Geschädigte die sogenannten anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen, damit auch eine Pflichtverletzung, darzulegen und zu beweisen. Allerdings kann es unter besonderen Umständen zu einer Beweislastumkehr kommen, so dass der Schädiger beweisen muss, dass er nicht die ihm obliegende Pflicht schuldhaft verletzt hat. Dies ist nach der Entscheidung des OLG Hamm im Fall des Sturzes eines Heimbewohners dann der Fall, wenn sich das Sturzereignis in einer konkreten Gefahrensituation und bei gesteigerten Obhutspflichten, deren Beherrschung gerade einer Pflegekraft übertragen war (hier: begleiteter Transfer eines Heimbewohners), ereignete. Im einzelnen:
Bei dem gestürzten Heimbewohner war bereits über einen längeren Zeitraum eine erhebliche Sturzgefährdung festgestellt worden. Der Heimbewohner wurde daher stets von einer Pflegekraft begleitet (begleiteter Transfer). Während des Rückwegs aus dem Speisesaal ins Bewohnerzimmer kam es auf dem Flur im Beisein der Pflegekraft zu einem folgenschweren Sturz.
Das OLG Hamm sah darin, dass es trotz der bekannten erhöhten Sturzgefährdung des Heimbewohners und während des begleiteten Transfers zu einem Sturzereignis kam, die Beweislast auf der Seite des Pflegeheims. Der gerichtliche Sachverständige erläuterte, dass eine Pflegekraft in der Lage sein muss, sich auf eine solche Situation einzustellen, um unverzüglich zupacken zu können. Die Tatsache, dass es zu einem Sturz kam, spricht für ein pflichtwidriges fahrlässiges Verhalten. Den Anforderungen an den Entlastungsbeweis genügte das Pflegeheim nicht. Der Einwand, dass Stürze nie völlig auszuschließen sind, reichte nicht. Besondere Umstände, die zu dem Sturzereignis führten, waren nicht ersichtlich und dargetan. Dass die Pflegekraft nicht in der Lage war, den Heimbewohner aufzufangen, spricht — so die Ausführungen des OLG Hamm — vielmehr dafür, dass im entscheidenden Augenblick jedenfalls die notwendige Aufmerksamkeit nicht gegeben war bzw. notwendige Gegenmaßnahmen schuldhaft nicht ergriffen wurden.
Nach den Feststellungen des OLG Hamm hat daher ein Pflegeheim bei einem sturzgefährdeten Heimbewohner, der während eine begleiteten Transfers zu Fall kommt, darzulegen und zu beweisen, dass auf Grund besonderer Umstände im Einzelfall das Sturzereignis nicht vermieden werden konnte.