Nutzungsausfall bei verspäteter Herstellung durch den Bauträger

BGH, Urteil vom 20.2.2014 — Aktenzeichen: VII ZR 172/13

Leitsatz
Auch bei Verzug mit der Herstellung von Wohnraum kann ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bestehen

Sachverhalt
Die Kläger erwarben von einem Bauträger eine durchgreifend zu sanierende Altbauwohnung mit 136 m² Wohnfläche. Es trat gravierender Verzug auf, da die Wohnung statt am 31.08.2009 dann auch noch im Herbst 2011 nicht bezugsfertig war.

Die Erwerber lebten in einer Wohnung von lediglich 72 m². Sie machen vom 01.10.2009 bis zum 30.09.2011 Nutzungsausfallentschädigung geltend. Sie verlangen nicht nur die weiterzuzahlende Miete, sondern weitergehend eine Nutzungsentschädigung dafür, dass sie während dieser zwei Jahre entgegen der vertraglichen Vereinbarung die schöne, neue und große Wohnung noch nicht haben nutzen können.

Das OLG Jena hat den Anspruch bereits bejaht und bei der Höhe bestimmte Abschläge vorgenommen. Mit der Revision will der Bauträger das Urteil kippen.

Entscheidung
Der BGH weist die Revision zurück und gibt dem Erwerber Recht.

Es ist seit langem anerkannt, dass zentrale Güter für die Lebensführung etwa bei Zerstörung oder Beschädigung einen Nutzungsausfall nach sich ziehen. Dies gilt für Kfz, aber auch bei Eingriffen in den Bestand einer bestehenden Wohnung, nicht jedoch etwa bei Wohnwagen oder Motorbooten.

Dass die Wohnung ein zentrales Lebensgut ist, ist also gesichert. Die Frage des Falles ist vielmehr, ob auch ein Schadensersatzanspruch, der aus bloßem Verzug mit der Herstellung resultiert, einen solchen Nutzungsausfallanspruch nach sich ziehen kann. Denn in diesen Fällen hatte der Erwerber das Wirtschaftsgut noch nicht zur Verfügung, so dass in seine Rechtsposition nicht in dem Sinne „eingegriffen“ wird; es wird nichts weggenommen oder zerstört.

Der BGH hat indes den Anspruch bejaht und die Vergleichbarkeit zu den Fällen der Sachbeschädigung hergestellt.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist demgemäß:

– Es muss um zentrale Güter der Lebensführung gehen, also zum Beispiel das Familienheim oder auch ein neu ausgebautes Dachgeschoss.

– Es muss eine längere Verzugsdauer bestehen, wobei noch nicht definiert ist, ab welchem Verzugszeitraum eine Nutzungsausfallentschädigung beginnt und wie lange der Zeitraum andauern muss, bevor die Belastung überhaupt entsprechend ausgeprägt ist, dass man von einer Beeinträchtigung sprechen kann.

– Eine in etwa gleichwertige Wohnung darf nicht schon zur Verfügung stehen, so dass die Einschränkung durch die späte Fertigstellung für den Erwerber sehr deutlich spürbar sein muss.

Kommentar
Die Grundregel im deutschen Recht ist, dass es für immaterielle Güter (bloße Nutzungsmöglichkeit, Freizeit, etc.) nur eine Entschädigung gibt, wenn gesetzlich ausnahmsweise vorgesehen (§ 253 Abs. 1 BGB). Dieser Grundsatz ist seit langem in der Rechtsprechung aufgeweicht, der solchen Gütern teils Vermögenswert zuweist. Die Entschädigung für entgangene Nutzungsmöglichkeiten ist insbesondere im Bereich der Kfz-Unfälle für jeden ein Begriff. Auch bei der Beschädigung von Häusern und Wohnungen (man denke an einen Wasser- oder Brandschaden) kommen diese Grundsätze in Betracht.

Ganz neu an der Entscheidung des BGH ist aber, dass diese Rechtsgrundsätze auch bei bloßem Verzug mit der Herstellung einer bestellten Ware eingreifen können. Rechtlich macht das keine großen Probleme, denn die Verzugsvorschriften verweisen für die Folgen auf dieselben Schadensersatznormen wie bei Beschädigung und Zerstörung von Sachen.

Daher dürfte die Entscheidung im Ansatz richtig sein. Es kann nicht wirklich darauf ankommen, ob am Tag der Übergabe der Bauträger einen kapitalen Wasserschaden produziert und die Wohnung dann ein Jahr nicht bewohnbar ist oder ob er von vornherein nicht „liefert“. Die Belastung für eine Familie, die möglicherweise in beengten Verhältnissen wohnt, ist dieselbe.

Gespannt wird man auf die Ausprägungen sein dürfen. Es gibt einige Probleme, die sich bei der Beschädigung von bereits im Eigentum befindlichen Sachen nicht stellen. So muss man hier fragen, ob tatsächlich ein Anspruch auf Nutzungsausfall besteht, wenn der Bauträger mit einer Maßnahme über mehrere Jahre überhaupt nicht beginnt, aber auch noch kein Geld gezahlt worden ist. Dann wird man zumindest im Rahmen der Schadensberechnung fragen müssen, was der Erwerber bei pünktlicher Herstellung bereits gezahlt hätte und welche zusätzlichen Belastungen (Darlehenszinsen) er dadurch hätte.

image_pdf