Neu im Verjährungssortiment am Bau
Volltext beim Bundesgerichtshof: Urteil des VII. Zivilsenats vom 21.11.2024 – VII ZR 245/23 –
Leitsatz
Der Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung beginnt an dem Tag zu verjähren, an dem die Sicherheit verlangt wird. Es gilt für diesen Anspruch daher keine Jahresendverjährung.
Sachverhalt
Eine Gesellschaft schließt mit einem Planungsbüro am 12.10.2015 einen Generalplanervertrag bzgl. eines Umbaus von zwei Gebäuden. Am 15.10.2018 verlangt der Planer erfolglos eine Bauhandwerkersicherung von 1.400.000 Euro, die nicht gestellt wird. Zusammen mit der Schlussrechnung verlangt der Planer eine weitere Sicherheit von 3.500.000 Euro. Die Sache geht mit Klageerhebung im Dezember 2021 vor Gericht.
Das OLG München hat den Anspruch in voller Höhe zuerkannt. Insbesondere geht das OLG nicht von Verjährung aus. Die Verjährungsbeginn sei gem. § 199 Abs. 1 BGB regulär der Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Die Verjährung der Anforderung von 2018 beginne also am 1.1.2019 und ende am 31.12.2021. Dementsprechend wäre es vor Klageerhebung nicht zu einem Ablauf der Verjährungsfrist gekommen.
Entscheidung
Der BGH hebt die Entscheidung zum Teil auf, da die Verjährung des Anspruchs in Höhe des ersten Sicherungsverlangens vom 15.10.2018 eingetreten ist.
Die entscheidenden Instanzen hatten grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Auswahl, um die Verjährungsfrage zu behandeln:
Die erste Möglichkeit ist Verjährungsfrist, die schon mit Vertragsschluss beginnt, da der Anspruch auf Sicherheit schließlich bereits mit Vertragsschluss entsteht und jederzeit durchgesetzt werden kann. Ein solcher Verjährungsbeginn erweist sich aber als wenig sinnvoll. Bei zeitlich umfangreichen Bauprojekten würde dann ab einer Vertragsdauer von 3-4 Jahren bereits kein unverjährter Anspruch auf Sicherheit mehr bestehen und die Möglichkeit einer Sicherheit ggf. gerade in der kritischen Phase eingeschränkt sein.
Es besteht daher wohl Einigkeit, dass es sich bei dem Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit um einen verhaltenen Anspruch handelt, der also erst mit Anforderung durch den Auftragnehmer fällig wird. Die zentrale Frage des Rechtsstreits war daher, ob (Möglichkeit 2) die Verjährung am Tag des Verlangens direkt beginnt oder aber – so der Regelfall im BGB nach § 199 Abs. 1 BGB – erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht und fällig wird (Möglichkeit 3).
Der BGH entscheidet sich gegen die Regelverjährung und zieht eine Analogie zu Vorschriften, die verstreut im BGB für andere verhaltene Ansprüche gelten. Das OLG München hatte diese Vorschriften zwar auch gesehen, aber die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe bewusst keine entsprechende Regelung in den heutigen § 650f BGB eingefügt. Diesem Argument folgt wiederum der BGH nicht: Der Gesetzgeber habe den Charakter des Anspruchs als verhaltenem Anspruch seinerzeit nicht erkannt und daher planwidrig keine analoge Verjährungsregelung getroffen.
Also gilt in Zukunft: Gestützt auf eine analoge Anwendung der § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB verjährt der Anspruch auf Handwerkersicherheit ab dem Tag des Verlangens „taggenau‟. Kleiner Trost: Der Anspruch verjährt nicht in Gänze, sondern in Höhe des angeforderten Betrages. Wird nur ein Teil des möglichen Betrages angefordert, kann später ein zweites, eigenständiges Verlangen mit eigener Verjährungsfrist ausgesprochen werden. Aus diesem Grund hatte das zweite, spätere Verlangen nach Sicherheit Erfolg.
Anmerkung
Vom Gerechtigkeitsgehalt her hätte man die Frage mit dem BGH oder dem OLG München entscheiden können. Interessant an der Entscheidung ist das „Ringen um die Systematik‟ eines möglichst widerspruchsfreien Gesamtsystems. Na gut, das interessiert jetzt wirklich nur noch Juristen. Aber der BGH geht einige Längen, um den Fall im Gleichlauf mit der übrigen Fallgruppe „verhaltener Anspruch‟ entscheiden zu können.
Für die Praktiker in der Ebene ist nicht zu leugnen, dass es noch einmal komplexer wird. Es bestehen nun vier relevante Verjährungsläufe am Bau. (1) Die reguläre dreijährige Frist ab Fälligkeit für den Werklohn (Jahresendverjährung), (2) die fünfjährige Frist ab Abnahme bzgl. Mängel (taggenau), (3) die reguläre dreijährige Frist bei einem Verzugsschaden, der aber schon bei Entstehung während der Bauzeit zu verjähren beginnt (Jahresendverjährung) und nun auch (4) die dreijährige Frist ab Verlangen der Bauhandwerkersicherung (taggenau)
Es gilt, mit Fachkunde den Überblick zu behalten. Das fällt auch den „Guten‟ im Getümmel einer ggf. noch nicht beendeten Baustelle nicht gerade leicht.
(Cand. jur. Linnéa Driesen mit Redaktion von RA Dr. Harald Scholz)