Nachträgliche inhaltliche Kontrolle eines Telefax nicht erforderlich

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2017 – Aktenzeichen: II ZB 19/16

Leitsatz
Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist eine nachträgliche inhaltliche Kontrolle der einzelnen Schriftstücke im Rahmen der Ausgangskontrolle nicht erforderlich. Es bedarf insbesondere keiner Anweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal, den fristgebundenen Schriftsatz und zusätzlich zu übersendende Schriftstücke getrennt per Fax zu übermitteln oder sich durch telefonische Rückfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle des Berufungsgerichts zu versichern, dass der fristwahrende Schriftsatz vollständig übermittelt worden ist.

Sachverhalt
Der Kläger lässt gegen ein seine Klage abweisendes Urteil des Landgerichtes durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung beim Oberlandesgericht einlegen. Das entsprechende zehnseitige Telefax, bestehend aus der ersten Seite der Berufungsschrift, einem Schreiben des Landgerichtes an seinen Prozessbevollmächtigten, dem Empfangsbekenntnis seines Prozessbevollmächtigten und einer Abschrift des angefochtenen Urteils, wird am letzten Tag der Berufungsfrist übermittelt. Das Original der Berufungsschrift einschließlich der zweiten Seite mit abschließender Unterschrift des Rechtsanwaltes erreicht das OLG erst nach Fristablauf.

Es stellte sich nachfolgend heraus, dass versehentlich nicht die zweite Seite der Berufungsschrift, sondern versehentlich ein zweites Schreiben des Landgerichtes gefaxt worden ist, weshalb die fehlende Seite auf dem Sendeprotokoll nicht aufgefallen ist. Da die Berufungsschrift mithin keine Unterschrift eines Rechtsanwaltes enthielt, wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Auch der fristgerecht eingereichte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wurde vom OLG abgelehnt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die im Ergebnis erfolgreiche Beschwerde des Klägers.

Entscheidung
Der Kläger hatte im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrages ausgeführt, dass die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte und geprüfte Rechtsfachwirtin R. übersehen habe, dass die Berufungsschrift nicht vollständig übermittelt worden sei. Zwar bestünde in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten die Arbeitsanweisung, dass die automatisch ausgedruckten Sendeprotokolle darauf zu überprüfen sind, ob der Schriftsatz vollständig und ordnungsgemäß übermittelt worden sind und darüberhinaus im konkreten Fall eine entsprechender gleichlautender mündlicher Auftrag durch den Prozessbevollmächtigten, allerdings habe die im Sendeprotokoll ausgewiesene Seitenzahl mit der zu übermittelnden übereingestimmt und die Übersendung sei laut Protokoll auch erfolgreich gewesen. Daher sei die Frist gestrichen worden. Im Weiteren wurde der Vortrag durch eine eidesstattliche Versicherung der R. glaubhaft gemacht und vorgetragen, dass die R. stets zuverlässig gearbeitet habe und regelmäßig beanstandungsfrei überprüft worden sei.

Der BGH betont, dass der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO nur das Verschulden des Prozessbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zugerechnet werden kann. Entgegen der Auffassung des OLG sei vorliegend jedoch gerade ein zurechenbares Organisationsverschulden nicht ursächlich für das Versäumen der Frist. Für eine wirksame Ausgangskontrolle reiche es – soweit vorliegend von Bedeutung – aus, wenn der Prozessbevollmächtige seinen Büroangestellten die Weisung erteile, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen.

Soweit das OLG die Auffassung vertrete, dass gerade das Versenden eines fristgebunden Schriftsatzes mit weiteren Schriftstücken die Gefahr mit sich brächte, dass versehentlich anstelle einzelner Seiten des fristgebundenen Schriftsatzes andere Schriftstücke mitgeschickt werden und dieser Gefahr durch ein bloßes Zählen der gesendeten Seiten nicht ausreichend begegnet werden könne, überspanne das OLG die Anforderungen an die Ausgangskontrolle.

Das versehentliche Vertauschen einer Schriftsatzseite mit einer anderen Seite aus der Handakte stelle kein spezifisches Risiko der Telefaxübermittlung dar, welchem durch die Ausgangskontrolle nach Abschluss des Sendevorgangs gesondert Rechnung getragen werden müssen. Es bedürfte daher keiner Anweisung, dass der fristgebundene Schriftsatz und weitere zu übermittelnde Schriftstücke getrennt per Fax übersendet werden müssen, so dass zwei Sendeprotokolle vorlägen. Auch eine telefonische Rückfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle, ob der fristgebundene Schriftsatz vollständig übermittelt worden ist, sei nicht erforderlich. Daher sei dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mangels ein dem Kläger zurechenbaren Verschuldens zu entsprechen.

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