Mängelrüge und Symptom-Rechtsprechung
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.8.2016 — Aktenzeichen: VII ZR 41/14
Auftragnehmer meinen gelegentlich, ihr Auftraggeber habe den konkreten Mangel nicht gerügt. Dabei verkennen sie, dass Auftraggeber nur das Mangelsymptom rügen müssen. Dann erfasst die Mängelrüge sämtliche Ursachen des Symptoms.
Leitsatz
1. Ein Mangel ist ausreichend bezeichnet, wenn der Auftraggeber Symptome des Mangels benennt. In diesem Fall sind immer alle Ursachen für die bezeichneten Symptome von der Mängelrüge erfasst.
2. Das gilt auch, wenn die angegebenen Symptome des Mangels nur an einigen Stellen aufgetreten sind, während ihre Ursache und damit der Mangel des Werks in Wahrheit das ganze Gebäude erfasst.
Sachverhalt
Die Klägerin fordert von dem Beklagten aus einem VOB-Vertrag die Zahlung restlichen Werklohns für die Errichtung des Rohbaus eines Gebäudes, das als Alten- und Pflegeheim genutzt werden sollte. Der Beklagte wendet ein, die Werklohnforderung sei nicht fällig; überdies macht er im Wege der Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage Schadensersatzansprüche sowie einen Vertragsstrafenanspruch geltend. Zur Begründung wurde u.a. auf eine Mängelrüge, wonach die weiße Wanne im Bereich der Tiefgarage sowie der Aufzugsschächte undicht sei, abgestellt. Tatsächlich war auch das Gebäude selbst undicht. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt. Die besagten Mängelrügen bezögen sich nur auf bestimmte Bereiche, nämlich Tiefgarage und Aufzugsschächte, nicht aber auf das Gebäude insgesamt. Deshalb hielt das Berufungsgericht Ansprüche für verjährt, weil die Mängelrüge betreffend das Gebäude nicht in unverjährter Zeit erhoben worden sei.
Entscheidung
Dies sah der BGH anders. Aufgrund der irrigen Annahme des Berufungsgerichts, die Mängelrüge hätte sich auf Teilbereiche beschränkt, sei es zu einem fehlerhaften Urteil gelangt. Die Mängelrüge erfasse nämlich alle Ursachen für das bezeichnete Symptom. Das gelte auch, wenn die angegebenen Symptome des Mangels nur an einigen Stellen aufgetreten sind, während ihre Ursache und damit der Mangel des Werkes in Wahrheit das ganze Gebäude erfasse. So war es hier.
Anmerkung
Die Symptom-Rechtsprechung des BGH ist nicht bei allen Obergerichten angekommen, wie dieser Fall zeigt. Nicht selten wird die Reichweite einer Mängelrüge verkannt. Beim VOB-Vertrag führt die schriftliche Mängelrüge innerhalb der Gewährleistungszeit dazu, dass die Mängelansprüche für diesen Mangel frühestens zwei Jahre ab Zugang der Mangelrüge beim Auftragnehmer verjähren.