Kick-back-Rechtsprechung gilt nicht für freie Anlageberater

BGH, Urteil vom 19.1.2012 — Aktenzeichen: III ZR 48/11

Leitsatz
Keine Aufklärungspflicht für freie Anlageberater über ihre Vergütung

Sachverhalt
Der Kläger hat die Beklagte unter dem Vorwurf fehlerhafter Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Auf Empfehlung der Beklagten zeichnete der Kläger im Jahr 2003 eine mittelbare Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Medienfonds in Höhe von 55.000 € zuzüglich 5 % Agio (2.750 €). Diese Beteiligung finanzierte der Kläger in einem Umfang von 33.000 € aus Eigenmitteln und in Höhe des Restbetrags von 24.750 € über ein von der Beklagten vermitteltes Darlehen.

Der Kläger hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte habe die ihr hieraus erwachsenen Pflichten verletzt, indem sie es neben weiteren Pflichtverletzungen pflichtwidrig unterlassen habe, ihn, den Kläger, über die Höhe der ihr aus der erfolgreichen Empfehlung der Kapitalanlage zufließenden Provision aufzuklären.

Das Landgericht hat der Klage auf Ersatz des Zeichnungsschadens (Zahlung, Freistellung vom Bankdarlehen und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz etwaiger weiterer Nachteile) weitgehend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen und geurteilt, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei. Aus diesem Verhältnis sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger unaufgefordert über die genaue Höhe der ihr im Rahmen der Anlageberatung zufließenden Vergütung — hier: 7 % der Zeichnungssumme — aufzuklären.

Entscheidung
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg.

Auch bei Annahme des Zustandekommens eines Anlageberatungsvertrags sei die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger unaufgefordert über die genaue Höhe der ihr zufließenden Vergütung für die erfolgreiche Empfehlung der Fondsanlage aufzuklären.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bestehe wegen der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung zwischen einem Anleger und einem freien, nicht bankmäßig gebundenen Anlageberater — soweit nicht § 31d des Wertpapierhandelsgesetzes eingreift — jedenfalls dann keine Verpflichtung für den Berater, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Vergütung oder Provision aufzuklären, wenn der Anleger selbst keine Vergütung an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden. Der Senat hält seine bisherige Rechtsprechung insoweit aufrecht und verfestigt sie. Für den Anleger bestehe regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass der freie, von ihm selbst nicht vergütete Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält; vielmehr seien dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des Beraters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der gerade dem Anlageberater zukommenden Provision gehe, sei es bei gebotener Abwägung der gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien Sache des Anlegers — dem das generelle Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -, dieserhalb bei dem Anlageberater nachzufragen.

Von dieser Rechtsprechung abzugehen, bestehe kein Anlass. Insbesondere hält der Senat nach wie vor daran fest, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise zwischen dem Pflichtenkreis freier, bankungebundener Berater und der im Bankensektor tätigen Berater zu unterscheiden ist. Diese Differenzierung nach Berufsgruppen sei verfassungsrechtlich unbedenklich und habe auch die ausdrückliche Zustimmung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs gefunden.

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