Verschulden des die Annahme eines Vertragsangebots beurkundenden Notars bei der Verwendung befristeter Fortgeltungsklauseln

BGH, Urteil vom 24.8.2017 — Aktenzeichen: III ZR 558/16

Leitsatz
Dem Notar stellte sich im Jahr 2008 eine Situation dar, in der zwar die Wirksamkeit von Fortgeltungsklauseln noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen war, die Literatur indes nahezu einhellig jedenfalls befristete Fortgeltungsklauseln für zulässig hielt. Angesichts dieses Meinungsstands durfte sich der Notar auf die kritisch nachvollziehende Lektüre der zu Fortgeltungsklauseln vorhandenen Literatur beschränken und aufgrund dessen die Rechtslage für geklärt halten. Eine darüber hinausgehende Prüfung der Wirksamkeit der Klausel war von ihm hingegen — anders als im Fall einer unbefristeten Fortgeltungsklausel — nicht zu fordern. Eine etwaige — in der unterlassenen Belehrung des Verkäufers über eine in Betracht kommende Unwirksamkeit der Klausel und damit des Angebotes des Verkäufers liegende — Amtspflichtverletzung war daher jedenfalls nicht schuldhaft.

Sachverhalt
Der Kläger macht gegen den beklagten Notar wegen der Verletzung notarieller Amtspflichten Schadensersatzansprüche geltend. Im April 2008 gab der Kläger ein Kaufangebot betreffend eine Eigentumswohnung ab, das von einem Notar auf der Grundlage eines Entwurfs des Beklagten beurkundet wurde. In dem Kaufangebot hieß es unter anderem:
„Das Angebot ist bis zum Ablauf des 19.5.2008 unwiderruflich. Wurde es bis dahin nicht angenommen, kann das Angebot gegenüber dem Verkäufer widerrufen werden. Wird es weder angenommen noch widerrufen, erlischt es mit Ablauf von sechs Monaten ab heute. Für die Rechtzeitigkeit der Annahme kommt es immer nur auf die Beurkundung, nicht auf den Zugang beim Käufer an.“
Ferner war bestimmt, dass die Annahme des Angebotes vor dem Beklagten beurkundet werden sollte. Dieser wurde auch mit dem Vollzug des Kaufvertrages beauftragt.
Der Kläger wirft dem Beklagten vor, ihn im Zusammenhang mit der Beurkundung der Annahme des Angebots nicht auf eine mögliche Unwirksamkeit der in dem notariellen Angebot enthaltenen befristeten Fortgeltungsklausel hingewiesen zu haben.
Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidung
Der BGH hat offen gelassen, ob die vorliegend verwendete befristete Fortgeltungsklausel unwirksam ist und ob der Beklagte den Kläger hierüber zu belehren hatte. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, wäre eine Pflichtverletzung des Beklagten jedenfalls nicht schuldhaft.
Die Rechtsprechung des BGH zur fahrlässigen Verletzung notarieller Belehrungspflichten bei unbefristeten Fortgeltungsklauseln könne, so der 3. Zivilsenat, nicht uneingeschränkt auf die Beurkundung befristeter Fortgeltungsklauseln übertragen werden. Für den Notar, der im Jahr 2008 eine befristete Fortgeltungsklausel habe verwenden wollen, habe sich das Meinungsbild in der Literatur so dargestellt, dass – bis auf einen Autor – keine Einwände gegen befristete Fortgeltungsklauseln erhoben wurden. Im Gegenteil seien sie, soweit Bedenken gegen unbefristete Fortgeltungsklauseln im Raume standen, sogar empfohlen worden und zwar ausdrücklich auch mit einer Länge des Zeitraums bis zum Erlöschen des Angebots von – wie vorliegend – bis zu einem halben Jahr.
Dem Beklagten habe sich daher im Jahr 2008 eine Situation dargestellt, in der zwar die Wirksamkeit von Fortgeltungsklauseln noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen war, die Literatur indes nahezu einhellig jedenfalls befristete Fortgeltungsklauseln für zulässig hielt. Angesichts dieses Meinungsstandes habe sich ein Notar auf die kritisch nachvollziehende Lektüre der zu Fortgeltungsklauseln vorhandenen Literatur beschränken und aufgrund dessen die Rechtslage für geklärt halten dürfen. Eine darüber hinaus gehende Prüfung der Wirksamkeit der Klausel sei von ihm hingegen – anders als im Fall einer unbefristeten Fortgeltungsklausel – nicht zu fordern gewesen.

image_pdf