Prominente haften für Werbeaussagen

BGH, Urteil vom 17.11.2011 — Aktenzeichen: III ZR 103/10

Leitsatz
1. Auch ein körperlich von dem ausdrücklich vom Emissionsprospekt bezeichneten Druckwerk getrenntes Schriftstück, dass zusammen mit diesem vertrieben wird, kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung Bestandteil eines Anlageprospektes im Rechtssinne sein.

2. Zur Verantwortlichkeit eines früheren Spitzenpolitikers und Inhabers eines Lehrstuhls u.a. für Finanzrecht nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinn, wenn er sich in einem Prospektbestandteil über die Eigenschaften einer Anlage äußert.

Sachverhalt
Die Kläger machen Schadensersatzansprüche wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage geltend. Der Beklagte, Rupert Scholz, war Bundesverteidigungsminister und ein bekannter Verfassungsrechtler. Er hatte einen Sitz im Beirat der Gesellschaft und bewarb die Gesellschaft u.a. mit folgenden Aussagen:

„Meine Forderung an das Management der Gesellschaft für meine Mitwirkung als
Vorsitzender des Beirats war: Durchgehende Qualitätssicherung für jeden
einzelnen Anleger. Dazu Kompetenz, Kontrolle und Transparenz für das Konzept
und die handelnden Personen des Fonds. Das haben wir geschafft. Mich hat die
Beachtung aller denkbaren Anlegerschutzregelungen, die das Fondskonzept
auszeichnet, beeindruckt.“

Dazu gab er an, für wenigstens zwei Jahre verantwortlich im Beirat gearbeitet zu haben. Die Anlage wurde in mehreren Zeitschriften unter Verweis auf die ehemalige Stellung des Beklagten und mit seinem Konterfei vorgestellt und vertrieben. Der Beklagte tätigte zudem folgende Aussage:

„Erst nach einer genauen Prüfung der Strukturen und der Personen habe ich meine
persönliche Mitwirkung und Unterstützung zugesagt. Denn wir wissen, dass es in
der Vergangenheit im Fondsgeschäft nicht überall gut gelaufen ist. Deshalb
musste ein Konzept entwickelt werden, dass nicht nur Renditen offeriert, sondern
voll durchkontrolliert ist und von unabhängigen und erfahrenen Persönlichkeiten
geleitet wird. Dies ist der Gesellschaft überzeugend gelungen.“

Ca. ein Jahr nachdem sich die Kläger an der beworbenen Gesellschaft beteiligt hatten, untersagte die BaFin der Gesellschaft die geschäftliche Tätigkeit, da diese nicht die erforderliche Erlaubnis zum Betreiben eines Finanzkommissionsgeschäftes hatte. Im Anschluss an dieses Verbot wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet.

Die Kläger machen geltend, die Aussagen im Emissionsprospekt -auch des Beklagten- seien unzutreffend.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hält den Anspruch der Kläger für begründet. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH haften für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in dem Emissionsprospekt auch alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebahren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen. Maßgeblich ist dabei, dass die Personen Einfluss gleich der Geschäftsleitung nehmen können. Dies lässt sich zwar allein aus der Position eines Beiratsmitgliedes oder Beiratsvorsitzenden nicht schließen; ist das Beiratsmitglied jedoch gleichzeitig Gesellschafter und kann Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen, haftet das Beiratsmitglied dennoch für Prospektfehler im engeren Sinne. Gleiches gilt für diejenigen, die mit Rücksicht auf ihre berufliche und wirtschaftliche Stellung als eine Art Garant auftreten, in dem sie einen besonderen, zusätzlichen Vertrauenstatbestand durch ihr Mitwirken am Emissionsprospekt schaffen. Dazu gehören insbesondere Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Steuerberater, die im Prospekt gutachterliche Stellungnahmen abgeben.

Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat der BGH eine Haftung des Beklagten angenommen. Dem Beklagten kam auf Grund seines beruflichen Hintergrunds und seiner Fachkunde sowie in Folge seiner – zum Prospektbestandteil gewordenen — Zeitschrifteninterviews die Stellung eines Prospektverantwortlichen zu. Insbesondere sollte mit diesen Aussagen der Vertrieb gefördert und den Anlegern der Eindruck einer besonderen Qualität vermittelt werden. Tatsächlich entbehrten die Angaben des Beklagten in den Prospekten wohl einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage. Ob dies der Fall war und ob der Beklagte Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit seiner Aussagen hatte, ist noch ungeklärt. Der BGH hat das Verfahren deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die noch fehlenden Feststellungen getroffen werden können.

Im Ergebnis hat der BGH aber festgestellt, dass ein Prominenter, der auf Grund seines Lebenslaufes und seiner Reputation eine besondere Vertrauensstellung einnehmen kann, für werbende Aussagen in einem Emissionsprospekt haftet, sofern diese nicht den Tatsachen entsprechen.

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