Keine Darlegungs- und Beweiserleichterungen für SVT (BGH)
Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Juli 2024, Az.: VI ZR 252/23
Leitsätze
Sozialrechtliche Anforderungen an das Abrechnungssystem zwischen Krankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen sowie sozialrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung, Prüfung von Rechnungen und Zahlungspflichten der Krankenkassen rechtfertigen keine Abweichung von den zivilrechtlichen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast beim Regress des gesetzlichen Krankenversicherers des Unfallgeschädigten gegen den Schädiger nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Entscheidung
Der BGH entscheidet den Streit, ob sich aus sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zur Abrechnungen mit den Leistungserbringern der SVT, dem Datenaustausch (§§ 294–303 SGB V), Vereinbarungen zur DRG-Kodierung Besonderheiten ergeben, die zu einer abgeschwächten Darlegungs- und Beweislast der SVT führen müssen. Der BGH vertritt die gegenteilige Ansicht: Sozialrechtliche Anforderungen an das Abrechnungssystem sowie sozialrechtliche Anforderungen an die Datenübermittlung, Prüfung von Rechnungen und Zahlungspflichten rechtfertigen keine Abweichung von den zivilrechtlichen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast beim Regress des SVT (dort der gesetzlichen Krankenversicherung) des Unfallgeschädigten gegen den Schädiger nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X (BGH, 09.07.2024, Az.: VI ZR 252/23). Auch sei das im Fall der Beschädigung einer Sache für Reparatur- und Sachverständigenkosten anerkannten Grundsätze zum sog. Werkstattrisiko nicht auf den SVT-Regress zugunsten der SVT übertragbar.
Dem ist zuzustimmen: Für den in Anspruch genommenen Schädigers darf es keinen Unterschied machen, ob der Geschädigte selbst oder dessen Krankenversicherung etc. aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche geltend macht. Er muss stets die Möglichkeit haben, die Berechtigung des Anspruchs auch zur Höhe zu überprüfen. Insoweit steht ihm ein Auskunftsanspruch nach § 119 Abs. 3 VVG zu (OLG Stuttgart, 19.12.2023, Az.: 12 U 17/23; OLG Hamm, 16.05.2023, Az.: I-26 U 99/22). Es geht nicht darum, die zwischen dem SVT und den Leistungserbringern ausgehandelte Vereinbarungen über Abrechnungsmodalitäten überprüfbar zu machen oder in Frage zu stellen. Diesbezüglich sind dem Schädigern Einwände verwehrt (BGH VersR 2004, 1189 ff.; OLG Hamm VersR 2010, 91 ff.). Legt ein SVT seine Aufwendungen nicht dar, ist dem Schädiger ein qualifiziertes Bestreiten nicht möglich. In diesem Fall muss daher ein – alternativloses – Bestreiten mit Nichtwissen zulässig sein und der SVT hat nachzulegen. Ansonsten ist es dem Schädiger genommen, selbst offensichtliche Unrichtigkeiten zu erkennen und einzuwenden. Damit werden lediglich schützenswerte allgemeine Grundsätze eingefordert, die sich daraus ergeben, dass der SVT Ansprüche seines Versicherten aus übergegangenen Rechten geltend macht. Eine Bevorzugung des Schädigers ist damit nicht verbunden. Sie darf jedoch ebenso wenig dem SVT zukommen (vertiefend Möhlenkamp VersR 2024, 209 ff.).