Haftung für falsche Leistungszusagen

OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2012 — Aktenzeichen: 12 U 105/12

Leitsatz
Gesetzliche Krankenkassen haften nach Amtshaftungsgrundsätzen wegen unrichtiger Auskünfte ihrer Mitarbeiter über den Leistungsumfang.

Sachverhalt
Die Klägerin, die auch vorher gesetzlich krankenversichert war, wechselte nach einem Beratungsgespräch über den Leistungsumfang mit einem Mitarbeiter der beklagten Krankenkasse zu dieser als gesetzlichem Krankenversicherer.

Bei diesem Mitarbeiter begehrte die Klägerin sodann den zugesagten Kostenersatz für ihre medizinische Versorgung, insbesondere aus einer Krebsbehandlung auf naturheilkundlicher Basis, Kosten für Nahrungsergänzungsmittel, Zahnreinigung, Praxisgebühren sowie Zuzahlungen von Massagen und Medikamente. Da die geltend gemachten Kosten nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung mitumfasst waren, zahlte der Mitarbeiter der Beklagten die Rechnungen zunächst aus seinem Privatvermögen. Erst als er nicht mehr bereit war, zu zahlen, erfuhr die Beklagte überhaupt vom Sachverhalt.

Sie war jedoch der Auffassung, dass eine Kostenerstattungspflicht nicht bestehe, da diese Leistung nicht vom Leistungsumfang umfasst seien. Auch ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, da die behauptete Zusage des Mitarbeiters derart lebensfremd gewesen sei und der Umfang der gesetzlichen Leistung auch allgemein hin bekannt sei, so dass die Klägerin nicht auf (mündliche) Zusage habe vertrauen dürfen.

Das LG Mosbach gab der Klage zum Teil statt.

Entscheidung
Das OLG Karlsruhe bestätigte die Entscheidung.

Nach Auffassung des OLG habe die gesetzliche Krankenkasse nach Amtshaftungsgrundsätzen, also nach § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG, für die falsche Zusage ihres Mitarbeiters einzustehen.

Der Mitarbeiter habe in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt, die Klägerin sei geschützte „Dritte“ im Sinne von § 839 BGB.

Mit ihren Einwänden konnte die Beklagte nicht durchdringen, da nach Auffassung des OLG der Bürger grundsätzlich von der Rechtsmäßigkeit der Verwaltung ausgehen dürfe. Vorliegend treffe das auch auf die Erteilung einer falschen Auskunft zu, da die konkrete Auskunft geeignet war, eine Vertrauensgrundlage für Investitionen zu bilden. Aufgrund des komplexen Sozialversicherungsrechts könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung jedem in Detail bekannt sei, so dass sich die Unrichtigkeit der Auskunft hier habe aufdrängen müssen.

Das OLG wies allerdings darauf hin, dass es sich bei der Frage, ob auf die Aussage hätte vertraut werden dürfen, nicht um eine Frage des Mitverschuldens im Sinne von § 254 BGB handele, sondern um eine Frage der objektiven Reichweite des vom Amtshaftungsanspruch betroffenen Vermögensschutzes (vgl. schon BGH, Urteil vom 11.04.2002, VersR 2003, 205).

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