Kausalitätsnachweis bei der Sachverständigenhaftung

OLG Saarbrücken, Urteil vom 23.11.2017 — Aktenzeichen: 4 U 26/15

Sachverhalt
Der Kläger wurden wegen mehrfachen, teils schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Die beklagte Sachverständige hatte im Strafverfahren ein schriftliches aussagepsychologisches Gutachten erstattet und dieses mündlich erläutert. Im Gutachten wurden die Angaben der geschädigten Zeugin mit hoher Wahrscheinlichkeit als glaubhaft eingestuft. Der BGH hat die Revision des Klägers als unbegründet angesehen (Beschluss vom 16.11.2004, Az.: 4 StR 431/04). Die daran anknüpfenden Wiederaufnahmeanträge des Klägers waren alle erfolglos.

Im Jahr 2005 erhob die geschädigte Zeugin vor dem LG Saarbrücken eine Schmerzensgeldklage, die jedoch abgewiesen wurde. Die Einschätzung der Beklagten zur Glaubhaftigkeit der Aussage wurde dort nicht geteilt. Auf die Berufung der Zeugin wurde durch das OLG Saarbrücken ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. Ein neuer Sachverständiger gelangte zu dem Ergebnis, dass die Angaben der Zeugin nicht als erlebnisbegründet und nicht als glaubhaft einzuschätzen seien.

Nach einem dritten Wiederaufnahmegesuch wurde der Kläger am 07.11.2013 vom Schöffengericht des Amtsgerichts Neuenkirchen freigesprochen, nachdem die Geschädigte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte.

Wegen des unberechtigten Freiheitsentzuges hat der Kläger die Beklagte als Sachverständige in Anspruch genommen.

Entscheidung
Das OLG Saarbrücken hat eine Haftung der beklagten Sachverständigen gem. § 839 a BGB bestätigt; diese habe grob fehlerhaft ein unrichtiges Gutachten erstattet.

Nach Auffassung des OLG Saarbrücken hat dies auch zu einem Schaden geführt. Allerdings hat sich das OLG Saarbrücken nicht der Auffassung des Landgerichts angeschlossen, allein bei Erstattung eines anderen Gutachtens hätten die Richter in erster Instanz anders entschieden und den Kläger freigesprochen. Nach Auffassung des OLG Saarbrücken hat das Regressgericht nicht im Rahmen einer rein kausalen Betrachtungsweise aufzuklären, wie das damals beteiligte Gericht tatsächlich geurteilt hätte, wenn es nicht zu einer unrichtigen Gutachtenerstattung gekommen wäre; es hat insbesondere nicht auf die Sicht der im Strafprozess gegen den Kläger erkennenden Richter abzustellen und solche schon gar nicht als Zeugen zu vernehmen.

Stattdessen ist der Kausalverlauf danach zu beurteilen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten; das Regressgericht müsse selbst prüfen, wie das Vorverfahren richtigerweise hätte entschieden werden müssen und dafür notfalls Beweis erheben. Damit sollen nach Auffassung des OLG Saarbrücken im Prozess gegen einen Sachverständigen oder eine Sachverständige gem. § 839 a BGB die gleichen Grundsätze gelten wie im Rahmen der Anwaltshaftung; insofern sei der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor der wirklichen Kausalität zu gewähren.

Darüber hinaus hat das OLG Saarbrücken festgehalten, dass dem Kläger im Wege des Schadensersatzes nicht mehr zugesprochen werden darf, als das, worauf er rechtmäßig einen Anspruch hatte.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das OLG Saarbücken dazu gelangt, dass der Kläger bei pflichtgemäßer Begutachtung durch die Beklagte freizusprechen gewesen wäre und die ihm entstandenen Beeinträchtigungen von ihr zu ersetzen sind. Das Berufungsgericht hat diesbezüglich selbst Beweis erhoben und kam zu dem Schluss, dass die Aussage der Geschädigten Zeugin nicht als glaubhaft anzusehen ist. Selbst die geschädigte Zeugin wurde noch einmal als solche vernommen, wobei ihre Angaben im Detail jedoch im Widerspruch zu den früheren Befragungen standen. Der Senat hat hieraus den Rückschluss gezogen, dass ohne die Aussage der Zeugin eine Verurteilung nicht erfolgt wäre, so dass der Kläger im Ergebnis freizusprechen gewesen wäre.

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