E-Mails genügen nicht der Schriftform
Beschluss des OLG Frankfurt vom 30.04.2012, 4 U 269/11
Leitsatz
Eine Mangelrüge per E-Mail erfüllt nicht das Schriftformerfordernis des § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, sofern nicht eine qualifizierte elektronische Signatur vorliegt. Mit einer E-Mail kann deshalb die Verjährungsfrist für Mängel nicht wirksam verlängert werden.
Sachverhalt
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Rahmen eines VOB-Vertrages Vorschuss für die Kosten einer Mängelbeseitigung. Die Parteien streiten um Verjährung. Abgenommen wurden die Arbeiten im Juni 2005. Es gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B. Kurz vor Ablauf der vier Jahre rügte der Kläger per E-Mail Mängel — und zwar in der Erwartung, die Verjährungszeit um zwei Jahre zu verlängern.
Diese Rechnung hat er ohne das Landgericht gemacht. Denn dieses wies die Klage wegen Verjährung ab, zu Recht wie das OLG nun in II. Instanz meinte. Die Mängelrüge genüge nicht der Schriftform; deshalb habe die Mängelrüge die Verjährungszeit nicht verlängern können.
Entscheidung
Das OLG hat ausgeführt:
Die Klageforderung ist verjährt.
Die Verjährung wurde weder aufgrund eines Mängelbeseitigungsverlangens des Klägers um zwei Jahre verlängert, noch ist die Beklagte nach Treu und Glauben an der Erhebung der Verjährungseinrede gehindert.
1.
Nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B verjähren Gewährleistungsansprüche des Bauherrn nach vier Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme zu laufen. Davon ausgehend war die Verjährungsfrist jedenfalls Ende Juni 2009 abgelaufen.
Nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B hat nur die schriftliche Mängelanzeige eine verjährungsverlängernde Wirkung. Das E-Mailschreiben vom 08.03.2009 genügt aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung dem Schriftformerfordernis nicht. Nach § 126 Abs. 1 BGB verlangt die Einhaltung der Schriftform, dass die Mängelanzeige von dem Anzeigenden eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss. Diese Form kann nach § 126 Abs. 3 BGB durch die in § 126 a BGB geregelte elektronische Form ersetzt werden. Auch diesem Formerfordernis genügt das E-Mailschreiben vom 08.03.2009 nicht, weil es an einer qualifizierten elektronischen Signatur fehlt.
Entgegen der Auffassung des Klägers gilt § 126 BGB auch für das Schriftformerfordernis der VOB. Durch die Vereinbarung der VOB/B werden die gesetzlichen Bestimmungen des BGB insbesondere die Regelungen über die Rechtsgeschäfte nach §§ 104 — 185 BGB nicht abbedungen. Die VOB baut vielmehr auf der Grundlage der Vorschriften des BGB auf und ändert bzw. ergänzt diese lediglich entsprechend der Interessenlage der Parteien.
Dem steht die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 25.01.2007 (VII ZR 41/06) keineswegs entgegen. Der VII. Zivilsenat hat in dieser Entscheidung vielmehr ausdrücklich deutlich gemacht (Randziffer 20, zit. nach juris), dass die Schriftform dann eine Rolle spielt, wenn sich die Verjährung nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B beurteilt, also gerade dann. wenn es um die Frage der Verlängerung der Verjährungsfrist geht. Das Schriftformerfordernis hat nur für die den Eintritt der Verjährung voraussetzende Frage, ob der Aufrechnungseinwand mit einer verjährten Forderung geltend gemacht werden kann, keine Bedeutung; insoweit reicht auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine mündliche Anzeige des Mangels aus. Auch darauf hat das erstinstanzliche Gericht bereits zutreffend hingewiesen.
Soweit der Kläger meint, das Schriftformerfordernis des § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B entspreche dem des § 127 BGB, ergibt sich daraus nichts anderes, da diese Vorschrift keineswegs die Übermittlung per E-Mail unabhängig von den Voraussetzungen des § 126 a BGB ermöglicht, wie sich unschwer aus § 127 Abs. 3 BGB entnehmen lässt.
Die schriftliche Mängelanzeige war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich der Geschäftsführer der Beklagten nach der per E-Mail erfolgten Mängelanzeige ein eigenes Bild über den Zustand des Gewerkes gemacht hat. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass daran anknüpfend allenfalls eine Hemmung der Verjährung bis zu der am 27.03.2009 erfolgten Zurückweisung von Gewährleistungsansprüchen in Betracht kommen könnte. Ob die per E-Mail erfolgt Mängelanzeige auf der Grundlage des BGB den Anforderungen an eine ausreichend spezifizierte Mängelrüge im Sinne der Symptomrechtsprechung entspricht, ist für die Frage der Verjährung vollständig ohne Relevanz.
Die Berufung der Beklagten auf den Eintritt der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Die Erhebung der Verjährungseinrede ist nur dann unbeachtlich, wenn sie gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung verstößt. Dabei ist indes auch im Verjährungsrecht bei Anwendung des § 242 BGB ein strenger Maßstab anzulegen (Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2012 vor § 194 Rdnr. 17 unter Hinweis auf BGH NJW 1988, 2247). Die Verjährungseinrede ist aus diesem Grund nicht schon deshalb missbräuchlich, weil der Gläubiger nicht mit der Erhebung der Verjährungseinrede gerechnet hat. Vielmehr kann der Schuldner grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob und ggfs. wann er die Verjährungseinrede erheben will (Palandt/Ellenberger a. a. O. Rdnr. 18). Vorliegend hat die Beklagte weder dem Kläger Anlass gegeben anzunehmen, es gelte eine längere Verjährungsfrist, noch hat die Beklagte den Kläger von der rechtszeitigen Geltendmachung seines Gewährleistungsanspruchs abgehalten. Allein der Umstand, dass die Parteien nach Darstellung des Klägers „bis kurz vor dem Prozess“ noch über die Mängelbeseitigung verhandelt haben, noch der Aspekt, dass die Beklagte nicht auf die vom Kläger in seinem E-Mailschreiben vom 08.03.2009 angesprochene Möglichkeit der Erhebung der Verjährungseinrede reagiert hat, begründet die Annahme, dass die Erhebung der Verjährungseinrede erst im Laufe des Rechtsstreits einen Rechtsmissbrauch der Beklagten darstellen könnte.