Auslegung einer Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers
BGH, Urteil vom 19.11.2008 — Aktenzeichen: IV ZR 293/05
Leitsatz
Die Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten ist dahin zu verstehen, dass der Versicherer (VR) seinem Versicherungsnehmer (VN) gegenüber deckungspflichtig ist und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anerkennt; darin liegt ein beide Rechtsverhältnisse umfassendes, den VR wie den VN verpflichtendes deklaratorisches (kausales) Anerkenntnis gegenüber dem Geschädigten.
Sachverhalt
Der Entscheidung des BGH lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der klagende Geschädigte Ansprüche gegenüber einem Generalagenten eines Haftpflichtversicherers (HV) verfolgte. Dem Agenten wurde vorgeworfen, ohne entsprechende Vertretungsmacht des HV für diesen eine Regulierungszusage gemacht zu haben und — da der HV sich später erfolgreich auf die fehlende Vertretungsmacht berufen hatte — daher gem. § 179 I BGB zu haften (Garantiehaftung). Der Geschädigte verfolgte Ansprüche auf Erstattung solcher Kosten (hier: Sachverständigen- und Reparaturkosten), die er erst aufgrund der Regulierungszusage und im Vertrauen darauf getätigt habe.
Das Berufungsgericht hatte die Klage vollumfänglich abgewiesen: Ein Anspruch aus § 179 I BGB bestehe nicht. Bei der behaupteten Regulierungszusage des Beklagten handele es sich um ein selbstständiges Schuldversprechen, das mangels der nach § 780 Satz 1 BGB erforderlichen Schriftform gem. § 125 BGB nichtig sei. Ein lediglich deklaratorisches Schuldanerkenntnis hätte darin nicht gelegen, da ein direkter Zahlungsanspruch des Klägers gegen den HV bereits dem Grunde nach nicht bestanden hätte, also eine reine Bestätigung nicht in Betracht käme.
Entscheidung
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, da eine Garantiehaftung des Beklagten gem. § 179 I BGB in Betracht käme ohne dass die tatsächlichen Einzelheiten hierzu hinreichend aufgeklärt seien. Das OLG habe zu Unrecht einen Verstoß gegen das Formerfordernis des §§ 780, 781 BGB angenommen, da dieses gem. § 350 HGB i.V.m. § 16 Satz 1 VAG nicht gelte, da es sich bei dem HV um einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit handele. Darüber hinaus stelle die Regulierungszusage des Beklagten ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Die Regulierungszusage des Haftpflichtversicheres gegenüber dem Geschädigten habe ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Grund zum einen in dem Haftpflichtverhältnis zwischen VN und dem Geschädigten und zum anderen in dem Deckungsverhältnis zwischen dem VR und dem VN. Auch bei fehlendem Direktanspruch des Geschädigten sei der VR regelmäßig aufgrund der uneingeschränkten Verhandlungsvollmacht, die ihm der VN gem. § 5 Nr. 7 AHB erteile, der maßgebliche Ansprechpartner des Geschädigten; letzterer solle sich auf das Wort des VR verlassen können, ohne von sich aus nachforschen zu müssen, ob der VR seinem VN, dem Schädiger, gegenüber (teilweise) leistungsfrei sei. Aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten sei daher die ihm erteilte Regulierungszusage deshalb dahin zu verstehen, dass der VR seinem VN gegenüber deckungspflichtig ist und in dessen Namen den Haftplfichtanspruch anerkennt. Darin liege ein beide Rechtsverhältnisse umfassendes, den VR wie auch den VN verpflichtendes deklaratorisches Schuldanerkenntnis gegenüber dem Geschädigten.
Praktische Auswirkung
Angesichts dieser weitreichenden Folgen einer Regulierungszusage sollte stets jede Erklärung des Schädiger — VR gegenüber dem Geschädigten genau auf deren Umfang hin überprüft werden. Insbesondere sollte im frühen Verfahren einer Schadensbearbeitung bei entsprechenden Anfragen des Geschädigten sehr deutlich zwischen einer Bestätigung des grundsätzlich bestehenden Deckungsschutzes für den Schädiger (VN) einerseits („Wir bestätigen, dass Herr X. bei uns generell über Versicherungsschutz im Rahmen einer Haftpflichtversicherung verfügt‟) und des Haftungsanerkenntnisses im Verhältnis zwischen VN und Geschädigtem andererseits differenziert werden.