Anerkenntnis durch Zahlung oder Verjährungsverzichtserklärung?

BGH, Urteil vom 27.1.2015 — Aktenzeichen: VI ZR 87/14

Leitsatz
1. Es genügt für eine Verjährungsunterbrechung durch Anerkenntnis jedes — auch ein rein tatsächliches — Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs — wenigstens dem Grunde nach — unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird. Ein solches tatsächliches Anerkenntnis ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schädiger oder der auch insoweit für ihn handelnde Haftpflichtversicherer dem Geschädigten bzw. dessen Rechtsnachfolger auf Verlangen Schadensersatzleistungen erbringt. Denn nach dem Wortlaut des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der Fassung vom 2. Januar 2002 beginnt die Verjährung insbesondere dann erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung anerkennt.

2. Auch eine Verjährungsverzichtserklärung des Schuldners kann bei anschließend erbrachten Zahlungen ein Anerkenntnis darstellen.

Sachverhalt
Die Klägerin erbrachte der Versicherten unfallbedingt Krankenversicherungsleistungen, für die sie die Beklagte jeweils in Regress nahm. Diese erstattete der Klägerin entsprechend deren Abrechnungsschreiben die entstandenen Aufwendungen. Mit Schreiben vom 12. Juli 1999 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, sie verzichte zunächst bis zum 31. Dezember 2010 auf die Einrede der Verjährung. Auch in der Zeit nach dem 12. Juli 1999 kam es zu vorbehaltlosen Zahlungen der Beklagten. Die letzte Abrechnung erfolgte unter dem 3. September 2010 und wurde ebenfalls vorbehaltlos bezahlt. Als die Klägerin mit Schreiben vom 19. Juli 2011 erneut Krankheitskosten ihrer Versicherten in Höhe von insgesamt 87.541,38 € abrechnete, erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung. Mit ihrer am 26. Februar 2013 zugestellten Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen und die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den künftig noch entstehenden Schaden der Versicherten aus dem Verkehrsunfall vom 21. Februar 1987 zu ersetzen.

Entscheidung
Nach dem BGH genügt für eine Verjährungsunterbrechung durch Anerkenntnis jedes — auch ein rein tatsächliches — Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs — wenigstens dem Grunde nach — unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird. Ein solches tatsächliches Anerkenntnis sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schädiger oder der auch insoweit für ihn handelnde Haftpflichtversicherer dem Geschädigten bzw. dessen Rechtsnachfolger auf Verlangen Schadensersatzleistungen erbringt Denn nach dem Wortlaut des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung insbesondere dann erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung anerkennt.

Die Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 12. Juli 1999 durch das OLG sei rechtsfehlerhaft. Die Revision rüge mit Recht, dass das Berufungsgericht die erforderliche Würdigung der gesamten Umstände des Streitfalles nicht vorgenommen und dabei wesentlichen Tatsachenvortrag der Klägerin übergangen habe. Die in der Berufungsbegründung aufgeführte Vorkorrespondenz der Parteien bzw. ihrer Rechtsvorgänger bis zum Schreiben der Beklagtenseite vom 12. Juli 1999 durfte das Berufungsgericht nicht unberücksichtigt lassen. Danach hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, nachdem sie bereits zuvor auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 1997 verzichtet hatte, auf eine erneute Bitte der Rechtsvorgängerin der Klägerin um einen weiteren Einredeverzicht in einem Antwortschreiben vom 15. Mai 1997 erklärt, durch ihre vorangegangene letzte Zahlung sei die Verjährung für die nächsten drei Jahre unterbrochen, weshalb davon abgesehen werden könne, über einen längeren Zeitraum auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres davon ausgehen, die weitere vorbehaltlose Zahlung vom September 2010 wegen des bis zum 31. Dezember 2010 befristeten Verjährungseinredeverzichts der Beklagten vom 12. Juli 1999 könne mangels eines Vertrauenstatbestandes nicht als Anerkenntnis verstanden werden.

Die Frage, ob nicht bereits die vorbehaltlose Zahlung vom 3. September 2010 als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB den Lauf der Verjährungsfrist über den 31. Dezember 2010 hinaus bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 26. Februar 2013 verlängert habe, sei nur dann erheblich, wenn die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt dieser Zahlung noch nicht abgelaufen war. Denn ein Anerkenntnis könne mit verjährungsunterbrechender Wirkung nur innerhalb einer noch laufenden Verjährungsfrist abgegeben werden.

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