§§ 110, 111 SGB VII: Haftung einer GmbH und ihres Geschäftsführers

OLG Frankfurt, Urteil vom 4.4.2014 — Aktenzeichen: 2 U 93/13

Leitsatz
Der Tatbestand der grob fahrlässigen Schadensverursachung nach §§ 110, 111 SGB VII ist zu Lasten einer GmbH und ihres Geschäftsführers erfüllt, wenn dieser einen Leiharbeitnehmer veranlasst, ihm beim Transport eines ungesichert auf der Gabel eines Gabelstaplers liegenden 260 kg schweren Metallrahmen zu helfen, und der Leiharbeiter dann beim plötzlichen Absenken der Gabel durch den herabfallenden Rahmen schwer verletzt wird.

Sachverhalt
Der Zeuge V war als entliehener Arbeitnehmer bei der Beklagten zu 1) — GmbH — eingesetzt und mit Schleif- und Transportarbeiten beauftragt. Der Beklagte zu 2) — Geschäftsführer — wollte mit einem Gabelstapler einen Metallrahmen (2×4 m, ca. 200 — 260 kg schwer) transportieren. Der Zeuge V sollte auf Geheiß des Beklagten zu 2) dabei zur Hand gehen. Der Rahmen lag unbefestigt auf der Gabel des Gabelstaplers auf. Das Metallteil fiel auf den Zeugen V, wodurch dieser eingeklemmt wurde und Frakturen der Halswirbelsäule erlitt. Als Folge der Verletzung besteht bei dem Zeugen V eine inkomplette Tetraparese (Lähmung aller vier Extremitäten) und eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 %.

Die zuständige Berufsgenossenschaft klagt aus §§ 110, 111 SGB VII.

Entscheidung
Das OLG hat angenommen, dass beide Beklagten gemäß §§ 106 Abs. 3, 104 Abs. 1 SGB VII in ihrer Haftung beschränkt sind. Hier sei der Zeuge V dem Beklagten zu 2), der im Betrieb der Beklagten zu 1) tätig und deren Geschäftsführer ist, auf dessen Geheiß beim Absetzen eines Stahlrahmens zu Hilfe gekommen, so dass eine im Arbeitsablauf ineinandergreifende Aktivität beider Beteiligten und kein zufälliges Nebeneinander oder eine bloße Arbeitsberührung gegeben sei. Die Voraussetzungen einer gemeinsamen Betriebsstätte lägen somit vor.

Dies mag zwar objektiv richtig sein. Das OLG ist jedoch nicht der im Vorfeld zu klärenden Frage nachgegangen, ob der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer freiwillig gesetzlich unfallversichert gem. § 6 SGB VII war. Nur wenn Geschädigter und Schädiger „Versicherte“ sind, kann § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII überhaupt zur Anwendung kommen.

Nicht problematisiert wurde ferner, ob das Haftungsprivileg des Geschäftsführers überhaupt zugunsten der juristischen Person (GmbH) wirken kann. Dies ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Verneint man dies, stellt sich die Frage, ob eine juristische Person überhaupt nach §§ 110, 111 SGB VII in Anspruch genommen werden kann. § 111 SGB VII scheint dafür zu sprechen. Wäre dem hingegen nicht so, haftet also die juristische Person voll, müsste geklärt werden, ob dann die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld zum tragen kommen.

In Ansehung der sog. „Praktikantinnen-Entscheidung“ des BGH (VI ZR 56/08) wäre hier ebenfalls zu diskutieren gewesen, ob die Beklagten nicht bereits nach den §§ 104, 105 SCB VII haftungsprivilegiert waren, weil der Zeuge V trotz seiner Eigenschaft als Leiharbeiter und der daran anknüpfenden unfallversicherungsrechtlichen Zurechnung zum Verleihunterhemen schadensersatzrechtlich doch dem Betrieb der Beklagten zugeordnet werden muss.

Die Entscheidung zeigt somit, dass es gerade beim Regress nach §§ 110, 111 SGB VII noch viele offene Rechtsfragen gibt, die einer gerichtlichen Klärung harren.

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