Zulässige Nebenintervention eines Gesamtschuldners auf Klägerseite

BGH, Urteil vom 18.11.2015 — Aktenzeichen: VII ZB 2/15

Leitsatz
Wer zu einem Gläubiger in einem Rechtsverhältnis steht, aufgrund dessen er diesem möglicherweise als Gesamtschuldner mit einem weiteren Schuldner haftet, hat ein rechtliches Interesse daran, dass eine Klage des Gläubigers gegen den weiteren Schuldner Erfolg hat.

Sachverhalt
Die Antragstellerin macht Baumängel an einem in ihrem Auftrag errichteten Pflegeheim geltend. Sie leitet ein selbständiges Beweisverfahren gegen zwei bauausführende Unternehmen ein. Einer der Antragsgegner verkündet insgesamt 3 Unternehmen den Streit mit der Aufforderung, auf seiner Seite beizutreten, vermutlich um die geltend gemachten Mängelfeststellungen möglichst abzuwehren. Sollten sich die Mängelbehauptungen bestätigen, stehe ihm ein Anspruch gegen die Streithelfer zu, so führt der Antragsgegner zur Begründung der Streitverkündung aus. Daraufhin erklären die Streitverkündeten jedoch ihren Beitritt nicht wie erwünscht auf Seiten des Antragsgegners, sondern auf Seiten der Antragstellerin.

Damit ist der Antragsgegner nicht einverstanden und beantragt, die Nebenintervention auf Antragstellerseite zurückzuweisen.

Entscheidung
Der BGH stellt klar, dass die Nebenintervention zulässig war, also die Streithelfer auf Seiten der Antragstellerin beitreten durften.

Dies war nach verschiedenen Instanzenentscheidungen nicht unbedingt zu erwarten. So hatte z.B. das OLG Hamm in einer ähnlichen Konstellation entschieden, dass ein Handwerksunternehmen, welches Streitverkündungsempfänger eines beklagten Architekten ist, kein rechtliches Interesse daran hat, auf Seiten der Klägerin beizutreten. Das OLG Hamm wies darauf hin, dass ein rechtliches Interesse erforderlich ist, welches über eine günstige Kostenentscheidung hinausgeht. Ein solches Interesse sei nur zu bejahen, wenn der Beitretende eine günstige Entscheidung für die von ihm unterstütze Partei in der Sache selbst anstrebe. Ein solches Interesse sei zu verneinen, wenn z.B. der Handwerker für den Baumangel selbst verantwortlich sei und von der Sache her einen Erfolg der Partei, die ihm den Streit verkündet hat, anstreben müsste, weil er sonst von dem Streitverkünder in Anspruch genommen werden könnte. Das Kosteninteresse allein reiche nicht aus (vgl. OLG Hamm BauR 2000, 1379).

Dies sieht der BGH hier allerdings anders: Das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens und ein Obsiegen der Antragstellerin wirken jedenfalls mittelbar auf das Rechtsverhältnis der Streithelfer zur Antragstellerin ein und führen daher zu einem (erforderlichen) rechtlichen Interesse. Die begehrte Feststellung der Verursachung der Mängel durch den Antragsgegner ist eine Grundlage dafür, dass dieser deswegen von der Antragstellerin in Anspruch genommen werden kann. Dies hat nach Ansicht des BGH die folgende rechtliche Auswirkung:

Wer zu einem Gläubiger in einem Rechtsverhältnis steht, aufgrund dessen er diesem möglicherweise als Gesamtschuldner mit einem weiteren Schuldner haftet, hat ein rechtliches Interesse daran, dass eine Klage des Gläubigers gegen den weiteren Schuldner Erfolg hat. Jedenfalls die erfolgreiche Vollstreckung eines Urteils durch den obsiegenden Gläubiger würde rechtlich auf das Rechtsverhältnis einwirken. Denn der (unterstellte) Anspruch des Gläubigers gegen ihn würde hierdurch gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Gläubiger erfüllt und außerdem entweder ganz oder teilweise erlöschen oder auf den weiteren Schuldner übergehen.

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