Schadensersatz wegen zweckwidriger Baugeldverwendung

LG Hannover, Urteil vom 3.5.2011 — Aktenzeichen: 9 O 295/09

Leitsatz
1. Ein dinglich gesicherter Konotokorrentenkredit kann Baugeld darstellen. 2. In Ermangelung eines Baubuches trägt der Baugeldempfänger die Darlegungs- und Beweislast für die zweckentsprechende Verwendung von Baugeld und insbesondere für behauptete Zahlungen an Bauhandwerker. 3. Bei Eintritt der Fälligkeit der Forderung nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers hat dieser darzulegen und ggf. zu beweisen, dass Baugelder in der Zeit seiner Verantwortlichkeit vollumfänglich zweckentsprechend verwendet worden sind und die nötigen Gelder seinem Nachfolger zur Verfügung gestanden haben.

Sachverhalt
Der Unternehmer (Malerbetrieb) nimmt die Beklagte als frühere Geschäftsführerin der zwischenzeitlich aufgelösten Auftraggeberin (AG) wegen zweckwidriger Verwendung von Baugeldern auf Schadensersatz in Anspruch.

In Rede stehen Werklohnansprüche wegen u.a. umfangreicher Malerarbeiten.

Zur Finanzierung von Grundstückskauf und Baumaßnahmen schloss die AG einen Kreditvertrag mit einem Kreditinstitut ab. Vereinbart wurde eine Kreditlinie von 2.320.000,00 DM, wobei der größte Teil dieser Summe der Finanzierung der Baumaßnahmen dienen sollte.

Zur Kreditsicherung wurden nachfolgend zum Kreditvertrag Grundschulden auf dem zu bebauenden Grundstück bestellt.

Auf die Schlussrechnungen des Unternehmers leistete die AG nur zwei Teilzahlungen.
Nach anschließender Klage sprach das LG Hannover dem Unternehmer einen Werklohnanspruch zu.

Noch vor der Vollstreckung des Urteilsbetrages wurde über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Anschließend forderte der Unternehmer die AG auf, Einsicht in das Baubuch zu gewähren. Die AG kam dieser Aufforderung nicht nach.

Nun erhob der Unternehmer Klage auf Schadensersatz gegen die Geschäftsführerin der AG.

Er machte geltend, bei den durch Grundschuld gesicherten Geldern bestehe eine Vermutung, dass es sich um Baugeld im Sinne des § 1 Abs. 3 GSB gehandelt habe. Zudem sei wegen der verweigerten Einsichtnahme in das Baubuch zu vermuten, dass dieses Baugeld zweckwidrig verwendet worden sei.

Entscheidung
Das Landgericht folgt der Auffassung des Unternehmers und verurteilt die Geschäftführerin der AG.

Der Unternehmer habe gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen vom 01.06.1909 (GSB).

Bei dem durch Grundschuld gesicherten Kredit handle es sich um Baugeld im Sinne des § 1 Abs. 3 GSB. Zugunsten des Unternehmers sei die Baugeldeigenschaft zu vermuten. Baugeld seien nach § 1 Abs. 3 GSB Geldbeträge, die zum Zwecke der Bestreitung der Kosten eines Baues in der Weise gewährt werden, dass zur Sicherung der Ansprüche des Geldgebers eine Hypothek oder Grundschuld an dem zu bebauenden Grundstück dient oder die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück erst nach gänzlicher oder teilweiser Herstellung des Baues erfolgen soll. Als derartige Geldbeträge gelten insbesondere solche, deren Auszahlung ohne nähere Bestimmung des Zweckes der Verwendung nach Maßgabe des Fortschrittes des Baues erfolgen soll.

Dies sei bei dem hier gewährten Kreditbetrag der Fall. Bis zum Höchstbetrag des Kredits sei von Baugeld auszugehen. Auf eine spätere Reduzierung der Kreditlinie komme es nicht an.

In Höhe der offenen Werklohnforderung des Unternehmers sei von einer zweckwidrigen Verwendung von Baugeld auszugehen.

Praxishinweis
Der Entscheidung liegt noch die alte Rechtslage nach dem GSB zugrunde. Aber auch nach der Neuregelung des Bauforderungssicherungsgesetz wäre die Entscheidung vermutlich nicht anders ausgefallen.

Die AG hat hier die Einsichtnahme in das Baubuch verweigert, welches ein Baugeldempfänger führen muss. Damit ist es zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast gekommen, so dass es Sache der AG war, zu beweisen, dass das Baugeld zweckentsprechend eingesetzt wurde. Dies ist ihr in vorliegendem Fall nicht gelungen.

Statt der Umkehr der Darlegungs- und Beweislast bei Nichtvorlage des Baubuchs trägt nach dem neuen § 1 Abs. 4 BauFordSiG der Baugeldempfänger stets die Darlegungslast, wenn die Baugeldeigenschaft oder Verwendung des Baugeldes streitig sind.

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