Wann kann Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten zurückgefordert werden?
BGH, Urteil vom 14.1.2010 — Aktenzeichen: VII ZR 108/08
Leitsatz
1. Der Auftragnehmer kann einen an den Auftraggeber gezahlten Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten zurückfordern, wenn feststeht, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber seinen Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen. 2. Ein Rückforderungsanspruch entsteht auch dann, wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt hat. 3. Welche Frist für die Mängelbeseitigung angemessen ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln, die für diese maßgeblich sind. Abzustellen ist auch auf die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers und die Schwierigkeiten, die sich für ihn ergeben, weil er in der Beseitigung von Baumängeln unerfahren ist und hierfür fachkundige Beratung benötigt. 4. Der Vorschuss ist trotz Ablauf einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung nicht zurückzuzahlen, soweit er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zweckentsprechend verbraucht worden ist oder, dass er alsbald verbraucht werden wird.
Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) errichtete für den Auftraggeber (AG) im Jahre 1993 ein Wohnhaus mit Garage. Wegen zahlreicher Mängel nahm der AG die AN erfolgreich auf Zahlung von Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten in Anspruch.
Nach Zahlung des Vorschusses beauftragte der AG einen Architekten mit der Planung und Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten. Dieser holte Angebote verschiedener Firmen ein und gab Mängelbeseitigungsarbeiten in Auftrag. Sie waren zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 3. April 2008 noch nicht abgeschlossen. Bis dahin hatte der AG bereits Architektenhonorar gezahlt und Rechnungen von Handwerkern erhalten.
Das Berufungsgericht entschied, dass dem AN wegen nicht fristgemäßer Verwendung des zur Mängelbeseitigung gezahlten Vorschusses ein Rückzahlungsanspruch zustehe. Aus dem vertraglichen Charakter des Vorschussanspruchs folge, dass der AN, die Klägerin, berechtigt sei, den Vorschuss zurückzufordern, wenn der AG, die Mängelbeseitigung nicht innerhalb einer angemessenen Frist durchführe oder nicht mehr ernsthaft betreibe. In welcher Zeit der AG die Nachbesserung vorzunehmen und eine Abrechnung zu erteilen habe, hänge von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Hier könne allenfalls eine Zeitspanne von eineinhalb Jahren nach Zahlung des Vorschusses angenommen werden, die Ende Januar 2006 abgelaufen sei. Erst danach habe der AG die Mängel beseitigen lassen. Er könne diese Kosten dem Rückzahlungsbegehren des AN nicht entgegenhalten.
Entscheidung
Anders sieht dies der BGH. Er hebt die Entscheidung des Berufungsgerichtes auf.
Der BGH hatte in der vorliegenden Entscheidung die bislang nicht abschließend entschiedene Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen der grundsätzlich mögliche Anspruch auf Rückforderung des Vorschusses entsteht.
Dabei war hier vor allem die Frage interessant, inwieweit eine Rückforderung begründet ist, wenn der AG den Vorschuss ganz oder teilweise nicht binnen angemessener Frist zur Mängelbeseitigung verwendet.
Hierzu hat der BGH folgende wichtige Feststellungen getroffen:
1. Steht fest, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird, so entfällt die Grundlage dafür, dass der Auftraggeber die ihm zur Mängelbeseitigung zur Verfügung gestellten Mittel behält. Der Rückforderungsanspruch wird zu diesem Zeitpunkt fällig.
2. Der Rückforderungsanspruch wird spätestens mit Vorlage der Abrechnung fällig. Er wird aber auch ohne Vorlage einer Abrechnung fällig, wenn diese dem AG möglich und zumutbar ist. Ist das ausnahmsweise nicht der Fall, kann eine Rückforderung noch nicht verlangt werden.
3. Die Rückzahlungspflicht kann außerdem entfallen, wenn der AG mit seinem Schadensersatzanspruch wegen der Mängel aufrechnet.
4. Schließlich entsteht derRückforderungsanspruch auch dann, wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt hat.
Hierbei ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände die Angemessenheit der Frist zu ermitteln. Eine Anknüpfung an starre Fristen verbietet sich nach Auffassung des BGH von vornherein. Denn es könne nicht allein darauf abgestellt werden, in welcher Zeit ein Bauunternehmer üblicherweise die Mängel beseitigt hätte. Vielmehr sei auch auf die persönlichen Verhältnisse des AG abzustellen, dem die Mängelbeseitigungsmaßnahmen durch den AN dadurch aufgedrängt werden, dass dieser die Mängelbeseitigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist vorgenommen oder sie sogar endgültig verweigert hat.
5. Ein Rückforderungsanspruch kann nach den Erwägungen des BGH auch entstehen, wenn der AG nach Ablauf der angemessenen Frist zwar mit der Mängelbeseitigung begonnen, diese jedoch nicht zum Abschluss gebracht hat. In diesen Fällen ist zu berücksichtigen, dass der AN nach Treu und Glauben gehindert sein kann, sein Recht durchzusetzen. Der AG kann solche Einwände gegen die Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung geltend machen, die sich aus den Besonderheiten des Vorschusses und seiner Zweckbindung herleiten und aus denen sich ein unabweisbares Interesse daran ergibt, den Vorschuss trotz Ablauf der für die Mängelbeseitigung angemessenen Frist nicht zurückzahlen zu müssen. Diese Einwände muss der AG darlegen und gegebenenfalls beweisen.