Welche Leistungen schuldet der Auftragnehmer bei vereinbarter „Schlüsselfertigkeit“?

OLG Naumburg, Urteil vom 20.6.2013 — Aktenzeichen: 1 U 91/12

Leitsatz
Wird die Erstellung eines schlüsselfertigen Bauwerks zu einem Pauschalpreis vereinbart, so ist in aller Regel auch der zu erbringende Leistungsumfang pauschaliert. Vom vereinbarten Leistungsinhalt sind dann alle Leistungen umfasst, die für die Erreichung des Vertragszwecks nach den Regeln der Technik für ein zweckgerechtes und mangelfreies Bauwerk erforderlich und vorhersehbar sind. Die bloße Abarbeitung eines insoweit unvollständigen Leistungsverzeichnisses des Auftraggebers genügt dem nicht.

Sachverhalt
Der Auftragnehmer erhält den Auftrag, ein Kurzentrum zum Pauschalpreis schlüsselfertig zu errichten. Im Leistungsverzeichnis sind für drei Stellen des Objekts Dampfsperren eingeplant.

Tatsächlich baut der AN die Dampfsperre nur im Bereich der Betondachflächen ein. Im Schwimmbad- und Saunabereich wird die Dampfsperre nicht eingebaut, obwohl dies technisch erforderlich ist.

Der Auftraggeber begehrt die Mangelbeseitigung. Hiergegen wendet der AN ein, er habe dort, wo die Dampfsperre nach dem Leistungsverzeichnis nicht vorgesehen gewesen sei, keine Dampfsperre einbauen müssen.

Entscheidung
Diese Auffassung teilt das OLG Naumburg nicht. Der AN muss den Mangel beseitigen. Nach der Argumentation des OLG müsse neben dem geschuldeten schlüsselfertigen Werk berücksichtigt werden, dass ein Pauschalpreis vereinbart worden sei. Bei der Verpflichtung eines Auftragnehmers, ein schlüsselfertiges Bauwerk zu erstellen, sei in aller Regel nicht nur der Preis, sondern auch der zu erbringende Leistungsumfang pauschaliert. Hier seien also vom vereinbarten Leistungsinhalt alle Leistungen umfasst, die für die Erreichung des Vertragszwecks nach den Regeln der Technik für ein zweckgerechtes und mangelfreies Bauwerk erforderlich und vorhersehbar sind. Der AN könne sich somit nicht auf den Standpunkt stellen, dass er nur das Leistungsverzeichnis des Auftraggebers abarbeiten müsse, wenn dieses — vorliegend also Dampfsperren überall dort, wo sie für ein mangelfreies Werk benötigt werden — unvollständig sei. Zum ursprünglichen Leistungsumfang gehöre daher auch der Einbau einer Dampfsperre in sämtlichen Gebäudeteilen des Objekts.

Praxishinweis
Bei der Vereinbarung eines Pauschalpreises muss sich der AN bewusst sein, dass er damit das sogenannte „Mehrmengenrisiko“ übernimmt. Erhöhen sich die Mengen, geht das zu seinen Lasten. Verringern sich die Mengen entgegen der Kalkulation, ist dies wiederum für den AN günstig, weil sich der Preis ja gerade nicht ändert.

Etwas missverständlich sind die Ausführungen des OLG, dass bei Vereinbarung eines Pauschalpreises der Leistungsumfang pauschaliert sei. Denn über den Leistungsumfang sagt der Preis zunächst einmal nichts aus. Hierfür ist vielmehr die „Schlüsselfertigkeitsvereinbarung“ maßgeblich. Über diese funktionale Beschreibung wird der AN verpflichtet, alle Leistungen auszuführen, die zur Erreichung des Vertragszwecks erforderlich sind.

Auf einem anderen Blatt steht die Frage, ob der AN für diese über die detaillierte Leistungsbeschreibung hinausgehende — aber notwendige — Leistung eine zusätzliche Vergütung erhalten kann. Dies hängt von den weiteren Vereinbarungen ab. Es ist möglich, eine Abrede zu treffen, nach welcher der Pauschalpreis auch den über die detaillierte Leistungsbeschreibung hinausgehenden Leistungsumfang abgelten soll. Hieran sind aber nach der Rechtsprechung strenge Anforderungen zu stellen. Bei offenkundigen Mängeln und Lücken der Leistungsbeschreibung gibt es allerdings keine über den Pauschalpreis hinausgehende Vergütungspflicht für zusätzlich erbrachte Leistungen, soweit diese Leistungen offensichtlich und für den Bieter im Rahmen der Kalkulation erkennbar erforderlich zur Erstellung des Bauwerks waren (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 31.03.2010). Im vorliegenden Fall war es offenbar nach Auffassung des OLG so, dass der AN hätte erkennen können, dass auch in weiteren Bereichen Dampfsperren erforderlich sind. In einem solchen Fall muss dann über die Schlüsselfertigkeitsklausel tatsächlich der gesamte Bereich bearbeitet werden, ohne dass hierfür ein Mehrvergütungsanspruch besteht.

image_pdf