Verschulden bei Fristversäumnis – Überprüfung der Uhrzeit am Faxgerät

BGH, Urteil vom 27.1.2011 — Aktenzeichen: III ZB 55/10

Leitsatz
Soll bei der Ermittlung der genauen Uhrzeit zum Zwecke der Wahrung der Frist allein die Anzeige des in der Anwaltskanzlei verwendeten Faxgeräts ausreichend sein, muss diese Anzeige zuverlässig die maßgebliche Zeit wiedergeben. Ist dieses Faxgerät technisch nicht dafür ausgelegt, selbstständig einen stetigen Abgleich mit der gesetzlichen Zeit vorzunehmen, hat der Anwalt dafür Sorge zu tragen, dass regelmäßig eine Überprüfung der Zeiteinstellung am Faxgerät stattfindet.

Sachverhalt
Ein Rechtsanwalt hatte eine Berufungsbegründung am letzten Tag der Frist an das Landgericht gefaxt. In der Absenderzeile war als Uhrzeit 23:49 Uhr angegeben. Als Empfangszeit im Faxgerät des Landgerichts war 00:03 Uhr angegeben, mit einer Dauer einer Übertragung von 2 Minuten und 16 Sekunden. Nach Hinweis auf die mögliche Verspätung des Eingangs der Berufungsbegründung hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und geltend gemacht, ihr Prozessvertreter habe um 23:30 Uhr die Uhrzeit an seinem Computer kontrolliert. Nach Durchsicht des Schriftsatzes habe der Prozessbevollmächtigte dann um 23:49 Uhr das Fax an das Landgericht versandt; um 23:51 Uhr sei der Sendebericht ausgedruckt worden. Nach dem Hinweis auf den verspäteten Zugang des Faxschreibens habe der Prozessbevollmächtigte festgestellt, dass die Faxuhranzeige erheblich nach gehe. Das Faxgerät habe bis dato immer einwandfrei gearbeitet. Der Prozessbevollmächtigte sei davon ausgegangen, dass die Zeitanzeige des Faxgeräts korrekt sei. Die Zeiteinstellung sei durch den für die Wartung des Faxgeräts eingesetzten Dienstleister fehlerhaft erfolgt.

Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Entscheidung
Der BGH hat ausgeführt, dass die Klägerin nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass die Versäumnis der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhte. Nach Ansicht des BGH ist es nicht ausgeschlossen, dass die Nichteinhaltung einer Frist auf einen Organisationsmangel in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten zurückzuführen ist. Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, durch entsprechende Organisation seines Büros und die notwendigen Einzelanweisungen das Möglichste zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen auszuschließen. Die aufzuwendende Sorgfalt durch den Rechtsanwalt ist bei Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist bis zum letzten Tag wegen der damit verbundenen Gefahren erhöht. Ob ein Schriftsatz noch rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist, bestimmt sich dabei nach der gesetzlichen Zeit im Sinne der §§ 1, 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung. Nutzt ein Rechtsanwalt die Fristen bis zur letzten Minute aus, hat er durch entsprechende Vorkehrungen zur Wahrung seiner erhöhten Sorgfaltspflicht dafür Sorge zu tragen, dass die technischen Voraussetzungen für eine Fristwahrung gegeben sind. Dem korrekten Erfassen der maßgeblichen Zeit kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Anzeige eines Faxgerätes muss dabei zuverlässig die maßgebliche Zeit wiedergeben. Wenn ein Gerät in Gebrauch ist, das technisch nicht dafür ausgelegt ist, selbstständig einen stetigen Abgleich mit der gesetzlichen Zeit vorzunehmen, gehört die Überprüfung der Zeiteinstellung am Faxgerät zur anwaltlichen Sorgfalt. Ansonsten kann durch Bedienungsfehler, wegen eines Stromausfalls oder wegen üblicher Ungenauigkeit bei langen Zeitabläufen die rechtlich maßgebliche Zeit von der auf dem Faxgerät angezeigten Zeit in erheblicher Weise abweichen.

Da die Klägerin nicht dargelegt hat, dass das vom Prozessbevollmächtigten benutzte Faxgerät in der Lage war, selbstständig einen Abgleich mit der gesetzlichen Zeit vorzunehmen und auch nicht dargelegt wurde, dass eine Überprüfung der Zeit stattgefunden hat, war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen; denn die Fristversäumnis war nicht unverschuldet.

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