Verkehrssicherungspflichten eines Jahrmarktveranstalters

OLG Hamm, Beschluss vom 18.01.2021 – 7 U 69/20

 

Leitsatz

Der Veranstalter eines Jahrmarktes ist im Rahmen der ihn treffenden Verkehrssicherungspflicht nicht verpflichtet, auf einem an sich ausreichend ausgeleuchteten Jahrmarktgelände eine Versorgungs- / Kabelbrücke mit Leuchtstreifen zu versehen, gesondert anzustrahlen o.ä., wenn die allgemeine Beleuchtung im Rahmen einer zum Verweilen und Betrachten einladenden und angekündigten Lasershow nur vorübergehend ausgeschaltet wird.

 

Zum Fall

Die Klägerin stolperte auf einem Jahrmarkt, der von der Beklagten veranstaltet wurde, auf dem Weg zu einer Toilette über eine 3 cm hohe Kabelbrücke. Zuvor war das Licht extra gedimmt worden, um für eine Lasershow alles vorzubereiten.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hätte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, da die Kabel auf dem Boden nicht ausgeleuchtet oder farblich erkenntlich gemacht worden wären und so nicht auf eine Stolpergefahr hingewiesen worden wäre.

Das Landgericht hat eine Verkehrssicherungspflicht verneint und die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung zum OLG Hamm hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Das Oberlandesgericht verweist auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach derjenige, der eine Gefahrenlage schaffe, grundsätzlich verpflichtet sei, notwendige und zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um die Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasse dabei Maßnahmen, die ein umsichtiger, verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halte, um andere vor Schäden zu bewahren. Allerdings sei – so der Senat –nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend zu begegnen; es sei im praktischen Leben nicht erreichbar, alle möglichen Schädigungen auszuschließen. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, sei utopisch.

Bei Gefährdungen, die zwar nicht völlig ausgeschlossen werden könnten, sich aber ausnahmsweise unter entfernt liegenden Umstände verwirklichten, müsse der Geschädigte den Schaden selbst tragen, so das OLG Hamm auch in diesem Fall.

Die Klägerin habe auf einem Jahrmarktsgelände, das temporär errichtet worden sei, stets mit Hindernissen durch oberirdisch verlegte Versorgungsleitungen oder andere unvermeidbare Behinderung auf dem Gehweg zu rechnen. Ein Betreiber müsse nicht jede Gefahr beseitigen oder kennzeichnen. Nach den Umständen des konkreten Einzelfalls müsse einem Gast zugemutet werden, dass er sich sowohl den Lichtverhältnissen, als auch den möglichen Unebenheiten des Bodens anpasse, ggf. das Tempo sorgfältig auswähle und bei schlechten Lichtverhältnissen – wie im Zeitpunkt des Unfalls – ein Hilfsmittel, wie z.B. eine Handytaschenlampe, zur besseren Sicht nutze. Das OLG führt ferner aus, dass Kabelbrücken für den kurzen Zeitraum der Verdunklung für eine Lasershow nicht besonders ausgeleuchtet oder farblich markiert werden müssten.

 

Praxishinweis

„Wenn der Deutsche hinfällt, steht er nicht auf, sondern sieht sich um, wer ihm schadensersatzpflichtig ist“ – so Kurt Tucholsky. Dass dies nicht immer Erfolg hat, zeigt dieser Fall. Es gibt keine absolute Gefahrenfreiheit. Damit muss sich auch ein Geschädigter abfinden.

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