Teilungsabkommen — Groteskfall

LG Stuttgart, Urteil vom 29.4.2011 — Aktenzeichen: 16 O 510/10

Leitsatz
Die Anwendung eines Teilungsabkommens scheidet wegen eines Groteskfalls aus, wenn für einen Unfall (hier: ungeklärtes Abkommen von der Fahrbahn) nach abgeschlossenem Überholvorgang auf einer Bundesautobahn der Haftpflichtversicherer eines Lkw in Anspruch genommen werden soll, der in einer überholten Fahrzeugkolonne als letztes Fahrzeug zuerst überholt wurde.

Sachverhalt
Die Klägerin als gesetzlicher Unfallversicherungsträger machte nach einem als Arbeitsunfall anerkannten Verkehrsunfall ihres Versicherten Ansprüche gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund eines Teilungsabkommens zwischen den Parteien geltend. Dieses Teilungsabkommen enthielt u. a. folgende Regelungen:

§ 1
1. Werden von der BG aufgrund des § 116 SGB X Ersatzansprüche gegen eine natürliche oder gegen eine juristische Person erhoben, die bei der H. haftpflichtversichert ist, werden diese ausschließlich nach diesem Teilungsabkommen abgewickelt. Die H. verzichtet auf die Prüfung der Haftungsfrage und beteiligt sich nach der Maßgabe der folgenden Bestimmungen an den Versicherungsleistungen der BG.

2. Für die Anwendung des Teilungsabkommens gelten folgende Voraussetzungen:

a) Das Abkommen findet keine Anwendung, wenn schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine Schadensersatzpflicht des Haftpflichtversicherten gar nicht infrage käme.

b) Im Bereich der Kraftfahrthaftpflichtversicherung muss im Sinne der Rechtsprechung des BGH ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs bestehen. …

Konkret befand sich der Versicherte der Klägerin mit seinem Pkw auf der Bundesautobahn auf der linken von zwei Fahrspuren. Auf der rechten Fahrbahn sind drei Lkw mit üblichem Sicherheitsabstand hintereinander gefahren und dabei als drittes Fahrzeug ein bei der Beklahten haftpflichtversicherter Sattelzug. Die drei Lkw sind hintereinander mit normalem Sicherheitsabstand gefahren. Es gab keinen Stau gegeben. Hinter dem Beklagten-Lkw hat sich ein Kleintransporter befunden, der, da die linke Fahrbahn frei war, die drei Lkw überholt hat und vor dem ersten Lkw ist. Hinter diesem Transporter war der Versicherte der Klägerin. Als der Kleintransporter nach rechts abbog, hat dann der Pkw des Versicherten diesen noch überholt, um sich dann etwa zwei Fahrzeuglängen später ebenfalls wieder nach rechts einzuordnen. Dabei kam er ins Schleudern geschleudert und kollidierte mit enem Baum.
Entscheidung
Die Klägerin vertrat die Auffasuung, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem Gebrauch des bei der Beklagten versicherten Kfz liege solange vor, bis der Überholvorgang abgeschlossen, das Einscheren des überholenden Fahrzeugs beendet und der Überholende wieder auf seiner Spur sei.

Dem ist das Landgericht nicht gefolgt und hat die Klage wegen dem Vorliegen eines im Teilungsabkommen unter § 1 2. geregelten „Groteskfalls“ abgewiesen.

Nach der eigenen Sachverhaltsdarstellung der Klägerin liege zwischen dem Gebrauch des bei der Beklagten versicherten Lkw und dem Unfall des Versicherten der Klägerin lediglich ein äußerer Zusammenhang vor, in dem dieser zum Zweck des Überholens der Fahrzeugkolonne zwangsläufig auch an dem an letzter Stelle fahrenden Lkw vorbeifahren musste. Das Vorhandensein dieses Lkw auf der rechten Fahrspur stehe hingegen in keinem inneren Zusammenhang mit dem später erfolgten Unfall bei Wiedereinscheren auf die rechte Fahrspur. Auch ein adäquater Kausalzusammenhang sei nicht zu erkennen, da das Vorhandensein des bei der Beklagten versicherten Lkw ohne Weiteres weggedacht werden könnte, ohne dass sich an dem Unfallablauf irgendetwas ändern würde. Unter diesen Umständen würde ein Verletzter niemals auf den Gedanken kommen, den letzten Lkw-Fahrer in der Kolonne oder seinen Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

Somit liege ein Sachverhalt vor, dessen Einbeziehung in die Eintrittsregelung des zwischen den Parteien bestehendne Teilungsabkommens sowohl allgemein als auch in Ansehung seiner konkreten Formulierungen mit dem Grundgedanken des ABkommens schlechthin unvereinbar sei — sog. Groteskfall gem. § 1 2. TA.

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