Produkthaftung – 30 Jahre Gewähr?
Populäre Rechtsirrtümer am Bau
„Produkthaftung – 30 Jahre Gewähr“
Wenn es um Verjährung von Mängelansprüchen geht, gibt es neben dem in dieser Serie bereits behandelten Thema „Verdeckter Mangel – 30 Jahre Gewähr“ auch noch die immer wiederkehrende Behauptung, es handele sich die bei dem Mangel ja um einen Produktfehler und dafür bestehe bekanntlich die „Produkthaftung mit 30 Jahren Verjährungszeit“. Natürlich wollen wir auch diesem Phänomen einmal auf den Grund gehen.
Produkthaftung – was ist das?
Bei diesem Begriff handelt es sich schlagwortartig um die Verantwortung des Herstellers eines Produkts dafür, dass dieses Produkt keine Schäden anrichtet. Das betrifft durchaus nicht nur Industrieprodukte, sondern Hersteller kann man z.B. auch sein, wenn man aus verschiedenen Einzelteilen etwas speziell anfertigt. Wichtig zu wissen ist, dass es nicht um vertragliche Ansprüche geht, sondern um eine gesetzlich angeordnete Haftung.
Zur Ausgestaltung gibt es einmal das Produkthaftungsgesetz. Dort haftet der Hersteller für einen Produktfehler ohne Rücksicht auf ein eigenes Verschulden, wenn dadurch jemand getötet oder verletzt oder – im Verbraucherbereich — eine vom Produkt verschiedene Sache zerstört wird. In der daneben geltenden allgemeinen Produkthaftung (sogenanntes Deliktsrecht) haftet der Produzent für Schäden aus einem Produktfehler, wenn er diese bei verkehrsüblicher Sorgfalt vermeiden konnte, also mindestens fahrlässig gehandelt hat. Auch dabei geht es um Folgeschäden und nicht um das fehlerhafte Produkt selbst.
Gilt dafür eine 30jährige Verjährung?
Solche Ansprüche müssen nach heutigem Recht spätestens innerhalb von zehn Jahren nach Auslieferung des Produkts (Produkthaftungsgesetz) bzw. nach erstem Schadenseintritt (Deliktsrecht) geltend gemacht werden, wobei es auf Kenntnis nicht ankommt. Sie müssen zusätzlich innerhalb von drei Jahren ab dem Ende des Jahres geltend gemacht werden, in dem der Verletzte Kenntnis von allen wesentlichen Umständen seines Anspruchs erlangt.
Spielt Produkthaftung eine Rolle bei Mängeln?
Sie wird in diesem Zusammenhang oft angeführt, aber fast immer ist das falsch.
Für Mängel seiner Leistung muss der Auftragnehmer einstehen, am Bau typischerweise fünf Jahre. Davon abgedeckt wird das Interesse des Bestellers, für sein Geld einen Gegenwert in Form einer mangelfreien Leistung zu bekommen. Notfalls ist diese nachzubessern. Dies betrifft auch Fehler der eingesetzten Produkte, aber eben auch nur innerhalb der gewöhnlichen Gewährleistungsfrist und nur gegenüber dem Vertragspartner und nicht direkt gegenüber dem Produkthersteller. Von Produkthaftung spricht man aus rechtlicher Sicht dabei nicht. Manchmal gibt der Hersteller eine direkte Garantie gegenüber dem Endkunden für die Funktion seines Produkts oder bestimmte Eigenschaften („10 Jahre gegen Durchrosten“). Diese freiwillige Zusage kann dann natürlich in Anspruch genommen werden, stellt aber ebenfalls keine Produkthaftung im eigentlichen Sinn dar. Bei der Produkthaftung geht es insgesamt überhaupt nicht darum, dass eine bestimmte Leistung nicht mehr funktioniert und nachgebessert oder ersetzt werden muss, sondern es geht ausschließlich um Folgeschäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt ausgelöst werden. In solchen Konstellationen kann sich eine nähere Prüfung lohnen.
Fazit
Es gibt eine Produkthaftung. Diese ist aber ungeeignet, um die ganz alltäglichen Mängelfälle abzuhandeln und hieraus vor allem eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist des Auftragnehmers abzuleiten. Es muss zumindest durch den Fehler des Produkts ein Folgeschaden entstanden sein, um über Produkthaftung nachzudenken. Sie richtet sich dann gegen den Hersteller des Produkts, der natürlich bei weitem nicht immer mit dem Auftragnehmer identisch ist.
Wenn solche Ansprüche in Betracht kommen, gilt dafür – nach heutigem Recht – auch keine 30-jährige Verjährungsfrist, sondern eine Frist von zehn Jahren ohne Rücksicht auf eine Kenntnis bzw. von drei Jahren ab Kenntniserlangung.
Die Redensart „Produkthaftung – 30 Jahre Gewähr“ ist also für die normalen Mangelfälle, in denen sie üblicherweise gebraucht wird, komplett falsch.
(Dr. Harald Scholz)
„Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fachzeitschrift TAB — Technik am Bau“