Absturz von einer Arbeitsplattform – Keine Haftung des Generalunternehmers

Landgericht Neubrandenburg, Urteil vom 30.10.2012 — Aktenzeichen: 4 O 939/11

Sachverhalt
Die klagende Berufsgenossenschaft verlangte von der Beklagten, die Kraftwerke und Kesselanlagen herstellt, Ersatz ihrer Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall eines bei ihr unfallversicherten Arbeitnehmers; dieser ist von einer Arbeitsplattform, die an einem Schornstein montiert war, abgestürzt ist. Die Beklagte war Generalunternehmerin für die Errichtung einer Kesselanlage eines Heizwerks nebst Schornstein mit einer daran befestigten Messplattform. Die Anlage befand sich auf dem Betriebsgeländes eines Versorgungsunternehmens. Mit diesem Unternehmen hatte die Beklagte einen Werkvertrag geschlossen. Planung, Lieferung und Montage des Schornsteins einschließlich der Messplattform sowie die hierfür erforderlichen statischen Berechnungen übertrug die Beklagte auf eine Subunternehmerin. Die Anlage wurde im Jahre 2007 fertig gestellt und abgenommen. Seither war die Beklagte nicht mehr an dem Betrieb der Anlage beteiligt.

Im Jahr 2008 sollte der bei der Klägerin unfallversicherte Arbeitnehmer eines Drittunternehmens im Auftrag des Betreibers an dem Schornstein Messungen vornehmen. Hierzu begab er sich auf die in 17 m Höhe befindliche Messplattform; diese war mit Gitterrostsegmenten ausgelegt. Beim Betreten der Messplattform kippte ein Segment, so dass der Arbeitnehmer in die Tiefe stürzte und sich erheblich verletzte. Ursächlich für den Unfall war, dass der Freiraum zwischen der Messplattform und der angrenzenden Bebauung zu gering dimensioniert war; in Folge von Schwingungen des Schornsteins ist es zum Anstoßen der Träger der Messplattform an die feste Bebauung gekommen. Dies führte zu einem Verdrehen der Plattformträger und zu einer Verschiebung der Gitterroste.

Entscheidung
Das Landgericht weist die Klage ab. Die Beklagte sei haftungsrechtlich für den eingetretenen Unfall nicht verantwortlich. Auch wenn die Beklagte als Generalunternehmerin gegenüber dem Entsorgungsbetrieb die Verpflichtung übernommen hat, ein Werk frei von Sachmängeln zu erstellen und zu liefern, lagen nach Auffassung des Landgerichts keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Verpflichtung im Zeitpunkt der Übergabe im Jahre 2007 nicht eingehalten war. Unabhängig davon habe der Beklagten als Generalunternehmerin weder vertraglich noch deliktisch eine konkrete Verpflichtung zu Gunsten der Versicherten der klagenden Berufsgenossenschaft oblegen; ferner habe ab dem Zeitpunkt der Abnahme der Leistungen durch das Entsorgungsunternehmen keine konkrete oder auch nur realisierbare Verpflichtung zum Schutz Dritter vor solchen Schadensfällen bestanden. Mit der Übergabe unter anderem des Schornsteins nebst Messplattform an das betreibende Entsorgungsunternehmen sei — so das Gericht — jedenfalls im Außenverhältnis zu Dritten die gesamte Verkehrssicherungsverpflichtung auf den Betreiber übergegangen; eine Restverpflichtung etwa im Zusammenhang mit einer mangelhaften Erstellung der Anlage sei bei der Beklagten nicht verblieben, zumal sich die Beklagte hier einer Subunternehmerin bedient habe.

Ansprüche auf der Grundlage von § 836 f. BGB hält das Landgericht für nicht gegeben; die Beklagte sei nicht Eigenbesitzerin gewesen. Ebenso wenig komme eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz in Betracht, und zwar schon deshalb nicht, weil die Beklagte die in Rede stehende Messplattform nicht in den Verkehr im Sinne des Produkthaftungsgesetzes gebracht habe; zudem stehe nicht fest, dass der maßgebliche Gitterrost bzw. die anderen beweglichen Teile der in Rede stehenden Messplattform mit einem Fehler im Sinne Produkthaftungsgesetzes hergestellt worden seien. Eine etwaige fehlerhafte Montage des Gitterrostes stelle nicht eine Herstellung im Sinne des Produkthaftungsgesetzes dar.

Nach alledem hatte die Klage keinen Erfolg. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

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