Aktivlegitimation Rentenschaden § 119 SGB X
OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2020, Az.: 14 W 4/20
Leitsätze
1. Geht ein Anspruch vollständig auf den Rentenversicherungsträger als Treuhänder über, verbleibt dem Geschädigten nicht etwa eine Art Einzugsermächtigung; er kann weder aus eigenem Recht noch in gewillkürter Prozessstandschaft des Sozialversicherungsträgers klagen.
2. Käme der Rentenversicherungsträger seiner sozialrechtlichen Pflicht zum Einzug der Beiträge nicht nach und käme es daher zu einer Rentenminderung, hätte der Geschädigte ebenfalls keinen persönlichen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger, sondern allenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen den Rentenversicherungsträger, der auf Gutschriften auf dem Beitragskonto zu richten wäre.
Sachverhalt
Die Klägerin möchte vom Haftpflichtversichrer des Unfallverursachers die Verpflichtung einklagen (Feststellungsklage), dass dieser verpflichtet sei, zukünftige unfallbedingte Rentenschäden auszugleichen. Außerdem beziffert sie einen zurückliegenden Teil der vermeintlichen Ansprüche.
Entscheidung
Das OLG stellt fest, dass die Klägerin wegen des Anspruchsübergangs nach §§ 116, 119 SGB X nicht mehr Inhaberin des Anspruchs auf Erstattung eines twaiger – zukünftigen – Rentenschadens als Folge des Unfalls ist. Denn soweit ein Anspruch wegen etwaig unfallbedingt (bisher) nicht geleisteter Rentenversicherungsbeiträge bestünde, ginge er nach § 119 Abs. 1 SGB X auf den Rentenversicherungsträger über. Nach dieser Norm erfolgt ein Anspruchsübergang des Sozialversicherten auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung auf den Rentenversicherungsträger, wenn der Geschädigte zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits Pflichtbeitragszeiten nachweisen kann oder danach pflichtversichert wird. Es handelt sich hier um eine im Verhältnis zu § 116 SGB X eigenständige Legalzession. Der Anspruch geht vollständig auf den Rentenversicherungsträger als Treuhänder über, dem Geschädigten verbleibt nicht etwa eine Art Einzugsermächtigung; er kann weder aus eigenem Recht noch in gewillkürter Prozessstandschaft des Sozialversicherungsträgers klagen. Nur der Rentenversicherungsträger ist zur Durchsetzung des Anspruchs aktivlegitimiert. Durch den vollständigen Ersatz unfallbedingt ausgefallener Pflichtbeiträge im Rahmen der Haftung wird der Schaden ausgeglichen und erfüllt der Schädiger seine Schadensersatzpflicht. Das Beitragskonto weist im Ist-Verlauf dieselben Pflichtbeiträge wie im Soll-Verlauf aus. Ein Anspruch auf Ersatz einer Rentenminderung kommt daneben nicht mehr in Betracht. Gegenüber der Beklagten hat die Klägerin daher infolge des Forderungsübergangs auf den Rentenversicherungsträger, der sich bereits im Unfallzeitpunkt vollzieht, keinen Anspruch. Sie ist nicht aktivlegitimiert.
Allerdings könnte der Klägerin eventuell ein Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger zustehen, der aufgrund eines Treuhand- und Fürsorgeverhältnisses in besonderer Weise verpflichtet ist, für einen vollständigen Ausgleich des eingetretenen Rentenschadens des Versicherten Sorge zu tragen, und zwar auch mittels eines selbst zu besorgenden Schadensausgleichs. Hier war jedoch nicht ansatzweise erkennbar – und wird auch von der Klägerin nicht behauptet – dass sich der Rentenversicherungsträger ggf. rechtswidrig verhalten hatte oder noch würde. Damit fehlte bereits für einen Feststellungsantrag ein Feststellungsinteresse, zumal der Anspruch – wenn er schlüssig dargelegt werden könnte – vor einem anderen Gericht (Sozialgericht) geltend zu machen wäre.