§ 833 BGB: Mitwirkende Tiergefahr
BGH, Urteil vom 31.5.2016 — Aktenzeichen: VI ZR 465/15
Leitsatz
1. Kommt es zu einem Gerangel zwischen zwei Hunden, in dessen Rahmen der Halter des einen Hundes von dem anderen Hund gebissen wird, so ist die typische Tiergefahr des Hundes des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden. Dies muss sich der Geschädigte entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 Satz 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB anrechnen lassen.
2. Eine Anspruchsminderung wegen mitwirkender Tiergefahr ist allerdings dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB entsprechend ausgeschlossen, wenn der Halter des schädigenden Hundes dem Geschädigten auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Sachverhalt
Der Kläger ging gegen 22:00 Uhr auf dem Weg zur Hauptstraße an dem Grundstück der Beklagten vorbei. Er führte seinen Hund, einen Labrador-Mischling, angeleint bei Fuß, wobei die Hundeleine um sein linkes Handgelenk gewickelt war. Auf dem Grundstück der Beklagten befand sich deren Hund, ein Golden Retriever. Dieser zwängte sich durch die etwa einen Meter hohe Hecke, durch die das Grundstück von dem Weg abgegrenzt war, und rannte auf den Kläger und dessen Hund zu. Es kam zu einem Gerangel und einem Kampf zwischen den Hunden, wobei der Hund der Beklagten immer wieder am Kläger hochsprang. Zwischen den Hunden stehend und mit der sein Handgelenk umwickelnden Leine war der Kläger in seiner Abwehr eingeschränkt und konnte sich nicht befreien. In dieser Situation wurde er von dem Hund der Beklagten gebissen. Er trug blutende Wunden davon.
Entscheidung
Der BGH stellt zunächst erneut klar: Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 Satz 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB anrechnen lassen.
Ob und unter welchen Voraussetzungen es das rein passive Verhalten eines Tieres ausschließen würde, von einer bei der Entstehung des Schadens mitwirkenden Tiergefahr auszugehen, lässt der BGH offen.
Er hebt jedoch hervor, dass eine bei der Entstehung des Schadens mitwirkende Tiergefahr des Labrador-Mischlings allerdings dann nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden dürfte, wenn die Beklagte dem Kläger nicht nur gemäß § 833 Satz 1 BGB, sondern auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet wäre. Denn gegenüber der Verschuldenshaftung aus § 823 BGB käme der Tiergefahr des Hundes des Klägers dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB entsprechend keine Bedeutung zu. Da das Berufungsgericht dieser Frage nicht nachgegangen sei, wurde die Sache zurückverwiesen.
Die Tiergefahr des Tieres des Anspruchsstellers ist also dann unbeachtlich, wenn der Anspruchsgegner für eigenes Verschulden — keine ordentliche Obacht oder Haltung — neben der Tiergefahr haftet. Dies dürfte in der Praxis zumeist übersehen werden. Dieses harte Ergebnis ist auch nicht ganz unbedenklich, da § 840 Abs. 3 BGB sicher primär den Fall vor Augen hat, dass es neben dem aus § 833 BGB haftenden Schädiger einen weiteren Gesamtschuldner — also weiteren Dritten und nicht den Geschädigten — gibt, der aus persönlichem Verschulden haftet. Außerdem wäre dann auf der einen Seite die Tiergefahr haftungsbegründend, während derselbe Anlass auf der anderen Seite gänzlich wegfällt. Was ist ferner, wenn den Geschädigten im Umgang mit seinem Tier auch ein Verschulden trifft? Die haftungsbegründende Tiergefahr des Schädigers wird dann sicher nicht wegfallen — andersherum aber nach dem BGH schon. Eine höhere und im Einzelfall dann durchaus zur vollständigen Haftung führende Quote auf Seiten des Schädigers/Anspruchsgegners erscheint „gerechter“ und flexibler.