Bedeutung von Risikohinweisen in Beratungsprotokollen für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung

OLG Celle , Urteil vom 23.6.2016 — Aktenzeichen: 11 U 9/16

Sachverhalt
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus angeblich fehlerhafter Anlageberatung. Der Kläger hatte 2004 Beteiligungen an geschlossenen Schiffsfonds und einem geschlossenen Immobilienfonds gezeichnet. Der Kläger macht eine Fehlberatung und einen unterlassenen Hinweis auf Risiken geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ansprüche seien verjährt. Das Oberlandesgericht hat das Urteil teilweise aufgrund eingetretener Verjährung bestätigt.

Entscheidung
Das OLG Celle kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich grob fahrlässige Unkenntnis entgegen halten lassen muss, wenn er Beratungsprotokolle, den „persönlichen Beraterbogen“ und insbesondere die darin knapp und übersichtlich zusammengefassten Risikohinweise nicht lese und dennoch unterschreibe. Der Kläger habe angesichts des „persönlichen Beraterbogens“, die Augen vor den darin enthaltenen Risikohinweisen verschlossen und nicht gesehen, dass die Erklärungen des Beraters nicht mit den schriftlichen Hinweisen übereinstimmten. Dies hätte ihm jedoch unmittelbar auffallen müssen. Das Vertrauen auf Beraterangaben und die mangelnde Durchsicht eines Anlageprospektes stellt zwar grundsätzlich kein grobes Verschulden gegen sich selbst dar, etwas anderes gilt aber für Beratungsbögen. So war vorliegend der für den Fond verwendete Beratungsbogen so deutlich ausgestaltet und die Risikohinweise eigens unter einer Überschrift „Risiken der Beteiligung“ knapp und allgemein verständlich zusammengefasst, dass diese Hinweise nicht nur jedem Anleger deutlich vor Augen führen, dass nicht nur mögliche Gewinne nicht garantiert werden können, sondern auch der Verlust des eingesetzten Kapitals möglich ist, insbesondere gilt das für das Totalverlustrisiko. Weiter stellt das OLG folgendes fest:

„Wer im Zusammenhang mit einer für ihn wirtschaftlich bedeutsamen Entscheidung gleichsam „blind“ ein handschriftlich ausgefülltes Formular, mithin eine ersichtlich personalisierte Erklärung, von übersichtlichem Umfang unterzeichnet, lässt dasjenige außer Acht, was in der gegebenen Situation jedem einleuchten würde.“

Zudem musste sich der Kläger entgegen halten lassen, dass der Hinweis auf ein Totalverlustrisiko nicht zu seiner angeblichen sehr sicherheitsorientierten Mentalität passte.

Das Urteil ist eine konsequente Fortführung der Rechtsprechung zur grob fahrlässigen Unkenntnis von Pflichtverletzungen. Ein Anleger muss zwar nicht zwingend Risikohinweise lesen, deren Kenntnisnahme er durch Unterschrift bestätigt hat; allerdings kann das „blinde“ Unterzeichnen dazu führen, dass die Verjährung in Gang gesetzt wird.

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