Keine generelle Subsidiarität der Feststellungsklage

BGH, Urteil vom 19.4.2016 — Aktenzeichen: VI ZR 506/14

Eine Geschädigter muss nicht seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen lediglich einen Schadensteil in diesem Sinne dar.

Im vom BGH entschiedenen Fall nahm der Kläger die dortige Beklagte wegen einer mangels hinreichender Aufklärung rechtswidrig vorgenommenen sectio, die bei ihm zu einer Schwerstbehinderung geführt hatte, auf Schmerzensgeld und Feststellung in Anspruch.

Im Berufungsverfahren hatte das Oberlandesgericht durch Teil-Grund- und -Endurteil entschieden, dass der Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Ferner stellte es fest, die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger sämtliche im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht bezifferbaren oder in der Fortentwicklung befindlichen sowie zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen. Im Übrigen wies es wegen des weitergehenden Feststellungsantrags die Klage ab und die Berufung des Klägers zurück aufgrund des Vorrangs der Leistungsklage bzgl. bereits bezifferbarer Schäden.

Demgegenüber hat der BGH im Revisionsverfahren den umfassenden Feststellungantrag des Klägers, auch soweit dieser bereits bezifferbare Schadenspositionen aus der Vergangenheit umfasst, zuerkannt.

Der Kläger sei grundsätzlich nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten sei. Zwar fehle grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen könne. Es bestehe jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr sei eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führe. Wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, könne daher der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren.

Diese Voraussetzungen — so der BGH — seien im konkreten Fall gegeben, so dass die vom Berufungsgericht vorgenommen teilweise Abweisung des Feststellungantrags zu korrigieren sei.

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