§§ 104 ff. SGB VII: Betriebswegeunfall

OLG Dresden, Urteil vom 24.7.2013 — Aktenzeichen: 7 U 2032/12

Leitsatz
Stellt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern für die Heimfahrt von einer betriebsfernen Arbeitsstätte einen betriebseigenen Pkw zur Verfügung und trägt er auch die anfallenden Kosten, handelt es sich um einen „Sammeltransport“ im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch dann, wenn der Pkw lediglich von zwei Arbeitnehmern benutzt wird, die sich bei der Heimfahrt abwechseln. Ereignet sich dabei ein Verkehrsunfall, greift deshalb das Haftungsprivileg der §§ 104, 105 SGB VII, weil es sich um einen Betriebswegeunfall handelt.

Sachverhalt
Der Kläger befand sich als Beifahrer im Pkw seines Arbeitgebers auf der BAB 4. Das Fahrzeug wurde von seinem Arbeitskollegen D gesteuert. Vor Ihnen hatte sich eine Verkehrsunfall zwischen den Beklagten zu 1) und 2) ereignet, nach dem deren Fahrzeuge auf der Autobahn liegen blieben. Diesen wich ein weiterer Lkw aus, der dann auf dem Seitenstreifen zum Stillstand kam. D wich den Unfallfahrzeugen zwar ebenfalls noch aus, geriert dabei jedoch gegen den stehenden Lkw, wodurch der Kläger erheblich verletzt wurde.

Entscheidung
Das OLG führt aus, dass Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten zu 1) und 2) nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld um den Mitverursachungsanteil des Haftungsprivilegierten gemindert seien.

Zwar würden die Beklagten zu 1) und 2) neben dem Arbeitgeber des Klägers als Halter sowie seinem Arbeitskollegen als ggfls. schuldhaft handelnden Fahrer grundsätzlich als Gesamtschuldner haften. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitskollegen D sowie den gemeinsamen Arbeitgeber sei gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII bzw. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII allerdings ausgeschlossen, was zu einer Kürzung der Ansprüche des Klägers auch im Verhältnis zu den nicht haftungsprivilegierten Schädigern führe (gestörte Gesamtschuld). Nach den §§ 104 ff. SGB VII haftet ein Unternehmer und eine andere im Betrieb tätige Personen nur dann, wenn der Versicherungsfall sich auf einem nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg ereignet habe (Betriebswegeunfall).

Nach zutreffender Ansicht des OLG lag ein Betriebswegeunfall vor: Entscheidend sei, ob die Fahrt sich als Teil der innerbetrieblichen Organisation und deren Funktionsbereich darstelle oder nicht. Für die Bejahung einer „Betriebsfahrt“ im o.g. Sinne würden von der Rechtsprechung keine übersteigerten Voraussetzungen verlangt. So sei bereits das Zurverfügungstellen eines betriebseigenen Pkw als Teil der betrieblichen Organisation angesehen worden. Erst recht gelte dies, wenn die Treibstoffkosten ebenfalls vom Arbeitgeber übernommen werden. Maßgeblich sei, ob sich in dem Unfall „das betriebliche Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem manifestiert oder ob dieses Verhältnis zum Unfall keinen oder nur einen losen Zusammenhang habe. In Fällen, in denen ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern mittels eines Sammeltransports eine Heimfahrtmöglichkeit zur Verfügung stelle, bestehe eine ausreichende organisatorische Verknüpfung. Dabei sei nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber etwa einen eigenständigen „Fahrer“ für den Transport beschäftige. Genügend sei vielmehr, dass einer der Arbeitnehmer die Heimfahrten übernimme oder diese im Wechsel zwischen mehreren Arbeitnehmern erfolge. Es dabei keinen Unterschied, ob lediglich zwei Arbeitnehmer diese Möglichkeit nutzen oder mehrere. Es gebe keine Vorgaben in Bezug auf die Mindestgröße eines „Sammeltransports“.

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