Verjährung des Anspruchs gegen den Notar wegen Nichteinhaltung der Wartefrist (§ 17 Abs. 2a BeurkG)

BGH, Urteil vom 7.3.2019 — Aktenzeichen: III ZR 117/18

Leitsatz
Verjährt oder nicht verjährt? Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung zur Notarhaftung wieder einmal die Kernfrage beleuchtet: Was ist Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände? Denn damit beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Der 3. Senat meint weiter: Tatsachenkenntnis reicht. Aber es gibt jetzt eine Ausnahme mehr.

Sachverhalt
Die Klägerin kaufte im Jahr 2004 um eine Eigentumswohnung von einem gewerblichen Unternehmen. Dabei besagte die notarielle Urkunde, dass die zweiwöchige Frist nach § 17 Abs. 2a BeurkG nicht eingehalten sei, diese Frist aber den Verbraucher vor einer Übereilung schützen sollen und dass – so belehrt – die Käuferin auf einer sofortigen Beurkundung bestehe.

Das Geschäft mit der Eigentumswohnung erwies sich als nachteilig. Die Klägerin versuchte zunächst vergeblich, die damalige Verkäuferin in Anspruch zu nehmen. Als dies scheiterte, machte sie ab 2013 Ansprüche gegen den Notar geltend und verlangt im Zuge des Schadensersatzes nun so gestellt zu werden, als sei der Kaufvertrag damals nicht beurkundet worden (im wesentlichen Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übertragung der Eigentumswohnung).

Der Notar erhebt die Einrede der Verjährung. Die beiden ersten Instanzen weisen die Klageforderung als verjährt ab. Es kommt nur darauf an, dass der Geschädigte die tatsächlichen Umstände des bestehenden Anspruchs kennt, nicht jedoch darauf, dass sie daraus auch die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht. Der Klägerin waren schon im Jahr 2004 alle wesentlichen Umstände bekannt, sodass ein Rechtskundiger den Anspruch erkennen konnte.

Entscheidung
Der für Notarhaftung zuständige 3. Zivilsenat des BGH präzisiert seine bisherige Rechtsprechung zur Verjährung und hebt das Urteil auf.

Im Grundsatz bleibt es dabei: Es genügt im Allgemeinen, dass der Verletzte die tatsächlichen Umstände kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend und mithin eine Amtshaftungsklage – und sei es auch nur als Feststellungsklage – als hinreichend aussichtsreich erscheinen lassen. Darauf, dass der Geschädigte aus den bekannten Tatsachen auch die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht, kommt es im Grundsatz nach wie vor nicht an.

Eine Ausnahme gilt schon bisher dann, wenn die Rechtslage im Einzelfall so unübersichtlich oder zweifelhaft ist, dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einschätzen kann. Das ist hier aber nicht der Fall. Denn § 17 Abs. 2a BeurkG gebietet – und gebot auch schon damals – in aller Regel eine Wartepflicht. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Schutzzweck der Norm (Verbraucherschutz) ausnahmsweise in anderer Form erfüllt ist. Diese Rechtslage war nach Auffassung des Senats stets hinreichend klar zu erkennen.

Eine weitere neue Ausnahme skizziert der Senat im vorliegenden Fall. Der Notar hat die Verbraucherin vorliegend zwar über die geltende Frist informiert, aber so getan, als handele es sich um eine Warnpflicht, mit welcher der Verbraucher dann umgehen kann, wie er will. Dass der Gesetzgeber hier aber eine ausdrückliche Wartepflicht vorgegeben hatte, war nicht Gegenstand der Belehrung. Nach Auffassung des Senats hat der Notar also die tatsächliche Rechtslage durch seine Belehrung verschleiert und kann sich in dieser Konstellation nicht darauf berufen, dass die Tatsachen bekannt gewesen seien.

In dieser Konstellation sei dem Geschädigten trotz Tatsachenkenntnis die Erhebung einer Amtshaftungsklage unzumutbar.

Eine Verjährung liegt also nicht vor. Über die wohl abweichende Rechtsprechung u.a. des 9. Zivilsenats(Anwaltshaftung) war somit nicht mehr zu entscheiden, weil man damit konkret nicht zu einem anderen Ergebnis gelangt.

Anmerkung:
In der Besprechung Urteils des Kammergerichts (Vorinstanz) war unsererseits die Entscheidung des BGH mit Spannung erwartet worden.

Denn das Kammergericht hatte deutliche Sympathie für die großzügigere Rechtsprechung u. a. des 9. Zivilsenats durchblicken lassen. Dort zeichnet sich eine Linie ab, wonach die bloße Tatsachenkenntnis bei der Beraterhaftung nicht genügt, sondern quasi der Blick auf die Pflichtverletzung frei sein muss. Es muss also zumindest erkannt werden können, dass der Berater von professionellen Standards abgewichen ist.

Der 3. Senat beantwortet die Frage mit einem „Cliffhanger“.

Kurz vor der sonst unvermeidlichen Auseinandersetzung mit der abweichenden Rechtsprechung nimmt der 3. Senat quasi die letzte Ausfahrt und differenziert seine Rechtsprechung dahin, dass jedenfalls bei einer Verschleierung der Rechtslage die Verjährung noch nicht mit bloßer Tatsachenkenntnis beginnt.

Damit nähert sich die Rechtsprechung der verschiedenen Senate an. Die Grundfrage bleibt indes nach wie vor offen und die Spannung somit erhalten.

Ob die gefundene Differenzierung auf längere Sicht tauglich ist, wird abzuwarten bleiben. Immerhin erzeugt der Notar in allen seinem Handeln stets den Anschein, genauso sei es rechtens (und man ist in aller Regel davon selbst auch überzeugt). Ob die hier abgegebene Belehrung tatsächlich einen stärkeren Charakter hat als das einfache „Tun“ in anderen Sachzusammenhängen, kann man bezweifeln. Man könnte umgekehrt argumentieren, dass bei der hiesigen Belehrung immerhin die Problemsituation frühzeitig bekannt geworden ist, während sonst der Fehler wegen der fehlenden rechtlichen Bewertung oft viel tiefer verborgen, weil vermeintlich unproblematisch, schlummert.

Im Ergebnis hat man den Eindruck gewonnen, als habe in diesem Falle – ganz ausnahmsweise – das Kammergericht eine Aufhebung und Zurückverweisung fast angestrebt und nun auch erhalten.

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