Unberechtigte Mängelrüge–Bekommt der Werkunternehmer seine Untersuchungskosten?

Bundesgerichtshof, Urteil vom 2.9.2010 — Aktenzeichen: VII ZR 110/09

Leitsatz
1. Das Recht des Auftraggebers, von einem für einen Mangel verantwortlichen Auftragnehmer Mängelbeseitigung zu fordern, wird grundsätzlich nicht dadurch eingeschränkt, dass die Verantwortlichkeit des Auftragnehmers bei der Inanspruchnahme noch unklar ist.

2. Der in Anspruch genommene Auftragnehmer darf Maßnahmen zur Mängelbeseitigung nicht davon abhängig machen, dass der Auftraggeber eine Erklärung abgibt, wonach er die Kosten der Untersuchung und weiterer Maßnahmen für den Fall übernimmt, dass der Auftragnehmer nicht für den Mangel verantwortlich ist.

3. Der Auftraggeber trifft deshalb kein Mitverschulden an einem Wasserschaden, der auf einem Mangel beruht, den der Unternehmer nicht beseitigt hat, weil der Auftraggeber eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben hat.

Sachverhalt
Die Parteien streiten um den Ersatz von Schäden, die dem Kläger durch eine unsachgemäße Installation einer wasserführenden Leitung durch die Beklagte entstanden sind.

Der Kläger beauftragte die Beklagte mit der Erstellung einer heizungstechnischen Anlage in einem Schulzentrum. Einige Monate nach Abnahme kam es zu Wanddurchfeuchtungen. Der Kläger forderte die Beklagte unter Fristsetzung auf, die undichte Stelle zu lokalisieren und ihm ein Konzept zur Mängelbeseitigung vorzulegen. Die Beklagte erklärte sich bereit, die Beanstandung zu prüfen; in dem Antwortschreiben heißt es weiter:

„Sollte sich allerdings bei der Prüfung des von Ihnen angezeigten Mangels herausstellen, dass dieser nicht auf unsere Leistung zurückzuführen ist, oder aber seine Ursache im normalen Verschleiß … hat, müssen wir im Hinblick auf die von uns dann aufgewendeten Kosten diese Arbeiten als Reparaturauftrag behandeln. Die in diesem Fall entstehenden Kosten für An- und Abfahrt, Fehlersuche und Freilegung der Schadstelle, Mängelbeseitigung, Wiederherstellung, Materialkosten, Kosten für Nebenleistungen müssen wir Ihnen dann berechnen.“

Der Kläger antwortete nicht. Die Beklagte erschien auch nicht zur Mängelbeseitigung. Im Anschluss veranlasste der Kläger Untersuchungen; es gab keine Anhaltspunkte für eine Verantwortlichkeit der Beklagten. Darüber informiert wurde die Beklagte nicht.

Einige Wochen später liefen aus einer undichten Stelle in einer von der Beklagten erstellten Leitung mehrere tausend Liter Wasser in die Wand und durchfeuchteten diese.

Die Klägerin ließ sanieren und verlangte dann von der Beklagten in Höhe der dafür aufgewandten Kosten Schadensersatz.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof gibt dem Auftraggeber Recht.

Die Beklagte habe die geschuldete Werkleistung mangelhaft erbracht. Deshalb sei sie zu Schadensersatz verpflichtet. Ein Mitverschulden treffe den Kläger nicht, auch wenn die von ihm veranlassten Untersuchungen letztlich fehlerhaft gewesen seien; dem Kläger sei ein etwaiges Verschulden der mit der Mangelsuche beauftragten Fachleute nicht gemäß § 278 S. 1 2. Alternative, § 254 Abs. 2 Satz 1 3. Alternative BGB zuzurechnen. Der Kläger als Auftraggeber schulde nämlich der Beklagten als Auftragnehmerin nicht die objektive Klärung der Mangelursache. Es sei vielmehr Sache der Beklagten gewesen, der Mängelbehauptung des Klägers nachzugehen und Grund und Umfang seiner Leistungspflicht zu prüfen.

Entgegen stehe auch nicht, dass die Beklagte vom Kläger zuvor eine Erklärung verlangt habe, wonach der Kläger der Beklagten den Aufwand bezahle, wenn sich ein Mangel nicht herausstelle. Die Beklagte als Werkunternehmerin habe auf eine solche Erklärung keinen Anspruch. Die gesetzte Frist sei also abgelaufen.

Praxishinweis
Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung nicht festgestellt, dass ein Auftragnehmer keinen Schadensersatz bekommt, wenn er aufgrund einer unberechtigten Mängelrüge tätig wird. Der Auftragnehmer kann eine Mängelbeseitigung aber nicht von einer entsprechenden Verpflichtungserklärung des Auftraggebers abhängig machen. Prinzipiell kann aber eine unberechtigte Inanspruchnahme zu einer Schadensersatzverpflichtung führen, wenn der Auftragnehmer für den Mangel nicht verantwortlich ist und der Auftraggeber bei der im Rahmen seiner Möglichkeiten gebotenen Überprüfung hätte feststellen können, dass er selbst für die Ursachen des Mangels verantwortlich ist. Letzteres ist aber sicherlich restriktiv zu handhaben.

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