Mindestschallschutz adé !?

BGH, Urteil vom 14.6.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 45/06

Leitsatz
1. Vertragliche Aussagen wie „optimaler Schallschutz“ oder „Mindestanforderungen werden überschritten“ dürfen nicht mißachtet werden, weil das Maß des geschuldeten Schallschutzes nicht bestimmt werden könne. Es muss durch Auslegung ermittelt werden, was die Aussagen bedeuten.

2. Ohne konkrete Aussagen muss der gesamte Vertrag ausgelegt werden. Wird sonst ein üblicher Qualitäts- und Komfortmaßstab geschuldet, muss sich auch der Schallschutz daran ausrichten. Mit der Einhaltung der Mindestschallschutzmaße nach DIN 4109 erreicht man heute nicht mehr einen üblichen Komfortmaßstab.

3. Können bei einwandfreier Bauausführung gemäß Baubeschreibung und anerkannten Regeln der Technik höhere Schallschutzwerte erreicht werden, sind diese jedenfalls geschuldet und nicht nur DIN 4109.

Sachverhalt
Der Erwerber lässt eine Doppelhaushälfte errichten. Im Vertrag wird unter anderem ein optimaler Schallschutz und eine Ausführung verprochen, die den Mindestschallschutz übertrifft.

Die Parteien streiten jetzt darüber, ob der geschuldete Schallschutz erreicht ist.

Das OLG Hamm weist die Klage der Bauherren ab: Dem Vertrag könne man nicht entnehmen, welche konkreten Werte oberhalb des Mindestschallschutzes geschuldet seien.

Entscheidung
Der BGH folgt dem nicht.

Zunächst einmal geht es um die Auslegung des konkreten Vertrages. Zwar passen viele Sachverständige — aus ihrer Sicht als Ingenieure verständlich — wenn sie schwammige Aussagen aus dem Vertrag oder der Baubeschreibung übersetzen sollen. Sie sagen dann „Es stehen keine Werte drin, also kann ich nicht messen.“ Der BGH macht klar, dass es Aufgabe des Gerichts ist, den Vertrag auszulegen und dem Sachverständigen eine technische Meßlatte vorzugeben, nach denen er bewerten kann, ob die Anforderungen erfüllt sind oder nicht.

Außerdem wiederholt er seine Aussage, dass zumindest ein erhöhter Schallschutz geschuldet ist, wenn die Baubeschreibung und die Pläne bei einwandfreier Durchführung ein solches Maß ergeben würden. Der Bauunternehmer kann also nicht „Fehler bis an die Unterkante Mindestschallschutz“ machen, ohne dass dies Folgen hätte. Der Erwerber darf sich außerdem darauf verlassen, dass — wo die Baubeschreibung schweigt — der Bauunternehmer eine dem Schallschutz zuträgliche Bauweise wählt, wenn der Mehraufwand gering ist.

Und zuletzt noch: Wenn ordentliche oder hochwertige Objekte geplant werden, kann die Baubeschreibung sogar schweigen. Der Schallschutz muss sich dem sonstigen Niveau dann anpassen. Und das geht in aller Regel nicht mit den Mindestwerten, sondern eher mit Schallschutzstufen II und III nach der VDI-Richtlinie 4100.

Anmerkung
Eine Fülle von Aussagen zum Schallschutz — ein Bereich, wo sich Sachverständige außerhalb der bekannten Mindestschallschutzwerte ausgesprochen schwertun.

Jetzt dürfte der Bann gebrochen sein. Man kann nur jedem Bauunternehmer raten, von sich aus — ohne große Anpreisungen – erhöhten Schallschutz zu planen und ausführen zu lassen. Und sich das von den Subunternehmern und Planern auch zusichern zu lassen.

Besonders Schlaue werden nun in ihre Verträge ausdrücklich „DIN 4109 ohne Beiblatt 2“ hineinschreiben. Ich sehe am Horizont aber ganz klar das „Aus!“ für solche Verschleierungen. Denn der Kunde erwartet von der Einhaltung einer DIN guten Standard, während sich alle einig sind, dass die Mindestschallschutzvorgaben ganz schön laut sind. Wüssten die Leute, was sie da erwartet, sie würden es nicht kaufen… Wer also weiterhin Mindestschallschutz anbieten und nur das schulden möchte, wird in Kürze so formulieren müssen:

„Der Schallschutz wird lediglich als Mindestschallschutz nach DIN 4109 geschuldet. Diese Norm regelt die Mindestanforderungen zur Vermeidung unerträglicher Belästigungen und gesundheitlicher Schäden. Komfortansprüche werden damit nicht erfüllt.“

Viel Spaß beim Verkaufen!

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