Haushaltsführungsschaden: Gesetzliche Unterhaltspflicht?
Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 9. Februar 2022, Az.: 2 U 504/20
Leitsätze
Auf eine faktisch oder sittlich begründete Unterhaltsverpflichtung ist im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens nicht abzustellen. Entscheidend ist eine bestehende Unterhaltspflicht, deren Nichterfüllung zur Folge hätte, dass der Verletzte an sich gehalten wäre, auf andere Weise seinen Beitrag zum Familienunterhalt zu leisten. Dies ist bei einer faktisch oder sittlich begründeten Unterhaltsverpflichtung nicht der Fall; die weitere Erbringung der Leistungen kann nicht eingefordert werden.
Sachverhalt
Der unfallgeschädigte Kläger lebte am Unfalltag mit seiner (nichtehelichen) Lebensgefährten und seinen Eltern zusammen. Er bewohnte eine Etage seines Hauses zusammen mit seiner Lebensgefährtin und seinem Kind, die andere Etage bewohnten seine Eltern. Dies ist auch nach dem Unfall noch so.
Entscheidung
Der Kläger habe zwar einen Anspruch auf Schadensersatz, soweit die beeinträchtigte Fähigkeit zur Führung des Haushaltes der Deckung seiner eigenen Bedürfnisse diente. Er habe jedoch keinen Anspruch auf Schadensersatz, soweit seine Mitarbeit im Haushalt der Deckung des Bedarfes seiner Lebensgefährtin oder seiner Eltern diente. Aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich nichts dafür, dass er gesetzlich verpflichtet war, durch Leistungen im Haushalt und am Haus zum Unterhalt seiner Eltern beizutragen, §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1612 BGB. Der Kläger war auch seiner Lebensgefährtin gegenüber nicht gesetzlich zum Unterhalt durch Führung des Haushalts verpflichtet.
Auf eine faktisch oder sittlich begründete Unterhaltsverpflichtung ist im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens nicht abzustellen. Diese Einschränkung ist erforderlich, weil es um den Ersatz von Vermögensschäden geht. Das Ver-mögen kann aber nur dann betroffen sein, wenn durch das Unterbleiben der Hausarbeit für dritte Personen eine bestehende Unterhaltspflicht mit der Folge unerfüllt bliebe, dass der Verletzte an sich gehalten wäre, auf andere Weise seinen Beitrag zum Familienunterhalt zu leisten. Dies ist bei einer faktisch oder sittlich begründeten Unterhaltsverpflichtung nicht der Fall; die weitere Erbringung der Leistungen kann nicht eingefordert werden. Ein Anspruch könne hingegen bestehen, wenn die Leistungen zur Haushaltsführung aufgrund einer vertraglichen Regelung erfolgen, insbesondere soweit sie sich als Gegenleistung zur Unterhalts- oder Versorgungsleistung des anderen Partners verstehen. Möglicherweise kommt auch die Qualifizierung als ersatzfähiger Erwerbsschaden unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Haushaltsführung eine sinnvolle Verwertung der Arbeitskraft des davon betroffenen Partners darstellt. Eine Verpflichtung zur Erbringung des Betreuungsunterhaltes bestand aber gegenüber seinem – minderjährigen – Kind, §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Verpflichtung zur Leistung des Betreuungsunterhaltes bestand daher seitdem bis zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes. Die Mitarbeit des Klägers hat daher insoweit auszuscheiden, als sie der Deckung des Bedarfes seiner Lebensgefährtin oder seiner Eltern diente. Für den Zeitraum bis zur Geburt seiner Tochter sei daher auf einen „fiktiven“ Ein-Personen-Haushalt abzustellen. Für die Zeit danach auf einen „fiktiven“ Zwei-Personen-Haushalt mit dem Kläger und seinem Kind.
Anmerkung
Anders etwa das OLG München, nach dem für die konkrete Bestimmung des Schadensersatzes wegen Beeinträchtigung in der Führung des Haushalts ohne Belang sei, zu welchem Ausmaß von Haushaltstätigkeit der Geschädigte familienrechtlich verpflichtet gewesen wäre. Entscheidend sei allein, welche Tätigkeit er ohne den Unfall auch künftig geleistet haben würde. Eine Mitarbeitspflicht von Familienangehörigen sei zudem nur dann zu berücksichtigen, wenn diese Hilfe tatsächlich erbracht wurde (OLG München, 16.2.2022, Az.: 10 U 6245/20.