Flächenangabe ist keine zugesicherte Eigenschaft: Mietminderung erst bei einer Abweichung von 10%

OLG Brandenburg, Urteil vom 6.1.2015 — Aktenzeichen: 6 U 134/13

Leitsatz
1. Soweit Mietvertragsparteien einen Mietvertrag zur Gewerberaummiete für eine physiotherapeutische Praxis geschlossen haben und dabei keine Vereinbarung getroffen haben, Barrierefreiheit herzustellen, kann der Mieter eine außerordentliche Kündigung des Vertrages nicht auf eine fehlende Barrierefreiheit stützen. Für den Vermieter ergibt sich aus der Nutzung des Mietobjekts als physiotherapeutische Praxis und die hierfür geltenden Vorschriften zur Barrierefreiheit keine Pflicht zur Herstellung einer solchen.

2. Die Flächenangabe des Mietvertrages stellt keine zugesicherte Eigenschaft des Mietobjekts dar. Erst Recht nicht, wenn die Angabe mit dem Zusatz „ca.“ versehen ist. Unterschreitet die Fläche der Mietsache die im Mietvertrag angegebene um mehr als 10%, kann die Miete gemindert werden.

Sachverhalt
Der Rechtsstreit bezieht sich auf eine Gewerberaummiete, wobei das Mietobjekt als physiktherapeutische Praxis verwendet wird. Bis 2011 waren die Parteien an einen ersten Mietvertrag gebunden, der nur die Praxisräume umfasste. Ende 2011 vereinbarten die Parteien einen neuen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 5 Jahren, in der zusätzlich um- und auszubauende Nachbarräume aufgenommen sind. Dieser Mietvertrag enthielt als Anlage eine Grundrisszeichnung der Praxisräume und der hinzukommenden Erweiterungsflächen. Die Fläche der ursprünglichen Praxis ist dabei mit ca. 110 m2 angegeben, die Nachbarräume mit ca. 81m2, wodurch sich eine ungefähre Gesamtfläche von 191 m2 ergibt. Der Grundriss enthält weiter Einzelheiten der Baumaßnahmen, so auch zur vorhandenen Stufe zwischen den zwei Praxisräumen. In der Grundrisszeichnung sind Vermerke wie „Beseitigung Stufe“, „Stufe vorhanden“ vorhanden.

Der Mieter kündigte den Mietvertrag aufgrund fehlender Barrierefreiheit außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich. Der Vermieter klagt auf Zahlung der Mietrückstände und auf Feststellung des Fortbestandes des Mietverhältnisses. Der Mieter erhebt Widerklage auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses. Die Klage des Vermieters hatte erstinstanzlich Erfolg. Der Mieter legte Berufung ein.

Entscheidung
Ohne Erfolg. Die Kündigung ist unwirksam.

Die ordentliche Kündigung scheiterte bereits an der wirksamen Befristung. Die mieterseits geltend gemachten Kündigungsgründe rechtfertigten im Übrigen keine außerordentliche Kündigung:

Die geltend gemachten Einwände, namentlich die fehlende Klimaanlage, die eingebauten manuellen Fensteröffner sowie die Beanstandung der Stufe zwischen den zwei Praxisräumen sind unbegründet. Insbesondere letzteres stellt keine Abweichung vom vertraglich geschuldeten Ausbauzustand dar. Darüber hinaus ist eine Herstellung von barrierefreien Räumlichkeiten nicht vereinbart. Die Frage, ob eine solche Stufe der geforderten Barrierefreiheit überhaupt entgegenstehe, kann offen bleiben. Auch wenn für physiotherapeutische Praxisräume Barrierefreiheit vorgeschrieben ist, schuldet der Vermieter allein aufgrund der gesetzlichen Vorschriften diese nicht, da es nicht im Mietvertrag vereinbart wurde.

Die vom Mieter zugleich geltend gemachte Flächenunterschreitung begründet zugleich kein Minderungsrecht. Denn die Zusicherung einer Eigenschaft setzt voraus, dass eine Partei die Gewähr für das Vorhandensein der Eigenschaft derart übernommen habe, dass sie für deren Bestand und die Folgen ihres Fehlens einstehen wolle. Das ist nach Ansicht des OLG Brandenburg bei einer bloßen Angabe einer Quadratmeterzahl im Mietvertrag regelmäßig nicht der Fall. Erst Recht nicht, wenn der Zusatz „ca.“ vorhanden ist.

Erst bei einer Flächenabweichung von mehr als 10% könne nach Ansicht des OLG die Miete gemindert werden. So sieht es auch der BGH. Vorliegend betrug die Abweichung lediglich 8%.

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