Deutliche Worte setzen Verjährung in Gang
OLG Saarbrücken, Urteil vom 18.5.2016 — Aktenzeichen: 1 U 121/15
Sachverhalt
Die Klägerin ließ sich beim Beklagten, einem Augenarzt, im Jahr 2009 behandeln. Dieser stellte eine Netzhautprominenz fest und überwies die Klägerin zur weiteren Abklärung in eine Augenklinik, wo ein Hämangiom diagnostiziert wurde und weitere regelmäßige Kontrollen empfohlen wurden. Bei einer MRT-Untersuchung wurde eine 9 x 4 mm große hyperintense Formation der linken lateralen Retina entdeckt. Die Klägerin legte dem Beklagten den entsprechenden Befund vom 25.05.2010 vor. Am 04.11.2012 verwies der Beklagte die Klägerin zur weiteren Diagnostik an eine Augenklinik, um den Verdacht auf das Vorliegen eines Aderhauttumors abzuklären. Nach Verweisung in eine weitere Klinik und der Einleitung einer Brachy-Therapie mit Ruthenium wurde festgestellt, dass das Augenlicht des linken Auges der Klägerin nicht mehr erhalten werden konnte. In der Klinik sagte man ihr, man könne nicht mehr viel machen, weil sie so spät komme und der Tumor zu groß sei. Die Klägerin hatte gegenüber dem Landgericht — informatorisch angehört — angegeben, der Chefarzt in Essen habe wörtlich zu ihr gesagt, dem Vorbehandler — hier dem Beklagten — gehöre „in den Arsch getreten“. Das Landgericht wies die Klage wegen Verjährung ab.
Entscheidung
Das OLG Saarbrücken hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und das landgerichtliche Urteil bestätigt.
Gemäß den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjähren Ansprüche in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
In seiner Entscheidung stellt der Senat klar, dass an die maßgebende Kenntnis im Bereich des Arzthaftungsrechts hohe Anforderungen zu stellen sind. Es genügt nicht, wenn ein Patient weiß oder wissen muss, dass die ärztliche Behandlung negativ ausgegangen ist, da es sich bei dem Behandlungsvertrag um einen Dienstvertrag handelt, bei dem lediglich das ernsthafte Bemühen um die Herbeiführung des Erfolges geschuldet ist. Daher kann der Fehlschlag der Behandlung auch in der Eigenart der Erkrankung liegen.
Im vorliegenden Fall war dies jedoch anders, da die Klägerin nicht nur den konkreten Ablauf der Behandlung kannte, sondern auch durch die Äußerung des Arztes in der nachbehandelnden Klinik wusste, dass der Beklagte vom ärztlichen Standard abgewichen war und dies aus seiner Sicht zu Schaden geführt hatte.
Der Senat stellte ferner klar, dass grundsätzlich allein ein Hinweis eines Nachbehandlers die erforderliche Kenntnis nicht zwingend herzustellen vermag; im vorliegenden Fall konnte die Klägerin jedoch aus dem ihr umfassend bekannten Behandlungsverlauf und der Aussage den Schluss ziehen, dass der Beklagte eine frühzeitigere weitere Diagnostik und Behandlung versäumt hatte und dass dies für ihren Schaden ursächlich war. Die Aussage des Nachbehandlers sei auch für ein einen Laien hinreichend verständlich gewesen, so dass die Klägerin gehalten war, bis zum Ende des Jahres 2013 tätig zu werden. Die erst am 10.04.2015 eingegangene Klage war daher nicht mehr in der Lage, die Verjährung noch zu hemmen.