Auslegung eines Teilungsabkommens — Trennungsprinzip

BGH, Urteil vom 20.9.2011 — Aktenzeichen: VI ZR 337/10

Leitsatz
Wenn in einem zwischen einem Haftpflichtversicherer und einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung geschlossenen Teilungsabkommen auf die „Prüfung des Rechtsübergangs“ bzw. den Einwand der mangelnden Übergangsfähigkeit verzichtet wird, erstreckt sich dieser Verzicht grundsätzlich nur auf das Fehlen der für den Regress vorausgesetzten Kongruenz zwischen einzelnen Schadenspositionen und den Versicherungsleistungen sowie auf das Eingreifen des Familienprivilegs.

Sachverhalt
Zwischen der klagenden Berufsgenossenschaft und dem anlässlich eines Verkehrsunfalls aus § 116 SGB X in Anspruch genommenen Kfz-Haftpflichtversicherer existiert ein Teilungsabkommen. In diesem heißt es:

§ 1:
Werden von der BG aufgrund von Vorschriften der §§ 116 ff. SGB X Ersatzansprüche gegen eine natürliche oder juristische Person erhoben, die gegen die gesetzliche Haftpflicht aus dem der Forderung zugrunde liegenden Schadensereignis bei dem HV [Haftpflichtversicherer versichert ist, so verzichtet der HV auf die Prüfung der Haftungsfrage und beteiligt sich nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen an den Aufwendungen der BG.

§ 2:
Für die Anwendung des Teilungsabkommens gelten die folgenden Voraussetzungen:

… (5)Im Kraftfahrzeug-Haftpflichtbereich (KH-Schaden) muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs im Sinne der Rechtsprechung des BGH bestehen.“

§ 4:
… (12) Von den Barleistungen der BG (Übergangsgeld, Verletztengeld, Renten) werden die ersten DM 10.000,00 … hälftig ohne Rücksicht darauf geteilt, ob die Leistungen zivilrechtlich übergangsfähig sind. Soweit Leistungen der BG den vorstehenden Betrag von DM 10.000 übersteigen, ist dagegen der Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit zulässig. Die Beweislast obliegt ausschließlich der BG.

…(13) Hinsichtlich der schadensbedingten Sachleistungen der BG, die der HV nach diesem Abkommen mit 50 % erstattet, ist der Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit zulässig.

Die Berufsgenossenschaft hat für ihren beim Unfall verletzen Versicherten Sach- und Barleistungen erbracht. Der Haftpflichtversicherer hat vorprozessual jedoch nur teilweise entsprechend der in § 4 (12) und (13) TA enthaltenen Wertgrenzen gezahlt. Darüber hinausgehende Zahlungen lehnte er mit der Begründung ab, die weiteren Aufwendungen der Berufsgenossenschaft – neben einem unstreitig unfallbedingten Wirbelbruch kam es im Krankenhaus später noch zu einer Einblutung ins Gehirn — seien nicht kausal adäquat durch den Verkehrsunfall verursacht worden. In § 4 (12) und (13) TA sei für derartige Fälle der „Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit“ ausdrücklich zulässig.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, der Haftpflichtversicherer verkenne die Bedeutung des in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzips, welches auch für die Auslegung des hier fraglichen Teilungsabkommens maßgeblich sei. Der in § 4 (12) und (13) TA geregelte Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit betreffe weder die Haftungs- noch die Deckungsfrage, sondern allein die Frage, ob der Sozialversicherungsträger gemäß § 116 SGB X zur Geltendmachung des Anspruchs des Geschädigten berechtigt ist. ALs Einwand sei deshalb nur noch die Prüfung zulässig, ob der Anspruch, wenn er bestünde, gemäß § 116 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangen wäre. Der Begriff der „zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit“ bedeute, dass der Leistung des Sozialversicherers ein auch sachlich kongruenter Anspruch des Geschädigten gegenüberstehen müsse. Wenn in einem Teilungsabkommen auf die „Prüfung des Rechtsübergangs“ bzw. den Einwand der mangelnden Übergangsfähigkeit verzichtet werde, erstrecke sich dieser Verzicht grundsätzlich nur auf das Fehlen der für den Regress vorausgesetzten Kongruenz zwischen einzelnen Schadenspositionen und den Versicherungsleistungen sowie auf das Eingreifen des Familienprivilegs. Hiervon sei die Prüfung der Haftungsfrage, zu der auch die vom Haftpflichtversicherer angesprochene Frage der haftungsbegründenden bzw. haftungsausfüllenden Kausalität gehört, klar zu trennen. Hierauf habe die Beklagte in § 1 TA ausdrücklich und ohne Einschränkung verzichtet.

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