Angemessenheit einer Nachfrist zur Baufertigstellung

OLG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2021 – 22 U 103/19

 

Sachverhalt

Die Klägerin hat die Beklagte aus einem Werkvertrag, der den Bau eines Einfamilienhauses zum Gegenstand hatte, auf Zahlung einer Vertragsstrafe und Fertigstellungskosten in Anspruch genommen. In den Vertrag hatten die Parteien die VOB/B einbezogen und die Fertigstellung der geschuldeten Bauleistung sieben Monate ab Bauzeitbeginn vereinbart. Der Fertigstellungstermin sollte sich im Falle von der Beklagten nicht zu vertretenden Umständen entsprechend verlängern. Für die schuldhafte Überschreitung des Fertigstellungstermins haben die Parteien eine Vertragsstrafe vereinbart.

Nach dem Baubeginn kam es im Bauablauf zu erheblichen Verzögerungen. Baubeginn war der 13.12.2011. Am 10.10.2012 kündigte die Klägerin den Vertrag wegen Bauzeitverzögerungen. Zur Begründung der Kündigung hat sie sich auf einen Verzug der Beklagten vom 06.08. bis zum 10.10.2012 berufen.

Das Landgericht Darmstadt (Az.: 19 O 21/13) hat unter anderem ein Sachverständigengutachten zur Frage der Bauzeitverzögerung eingeholt und in dessen Folge eine vertraglich geschuldete Fertigstellung bis zum 22.08.2012 angenommen. Folglich hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe sowie dem Grunde nach zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt.

Gegen das landgerichtliche Urteil hat sich die Beklagte im Wege der Berufung gewandt.

 

Entscheidung

Mit Urteil vom 18.02.2021 hat das OLG Frankfurt (Az.: 22 U 103/19) festgestellt, das landgerichtliche Urteil sei nicht zu beanstanden. Der Auftraggeber (die Klägerin) sei berechtigt gewesen, den Vertrag zu kündigen. Der Klägerin stehe die Vertragsstrafe zu.

In diesem Zusammenhang hat der Senat des Oberlandesgerichts festgestellt, dass eine Frist zur Fertigstellung dann angemessen ist, wenn während ihrer Dauer die Mängel unter größten Anstrengungen des Auftragnehmers beseitigt werden könnten. Die Frist habe nicht den Zweck, den Auftragnehmer in die Lage zu versetzen, nun erst die Bewirkung seiner Leistung in die Wege zu leiten, sondern sie soll ihm nur eine letzte Gelegenheit geben, die Erfüllung zu vollenden. Der Auftragnehmer, der sich in Verzug befände, müsse die Arbeiten innerhalb einer Frist erbringen, in der die Fertigstellung unter größten Anstrengungen möglich sei, was eine erhebliche Erhöhung der Zahl der Arbeitskräfte, der täglichen Arbeitsstunden bis hin zu Doppelschichten und Samstagsarbeit bedeuten könnte.

Ferner hat der Senat festgestellt, dass die Entziehung des Auftrags (Kündigung) zwar grundsätzlich voraussetzt, dass die gesetzte Frist tatsächlich fruchtlos abgelaufen ist. Wenn aber aufgrund der Umstände feststehe, dass die gesetzte Frist nicht eingehalten werde, sei der Auftraggeber auch vor Ablauf berechtigt, die außerordentliche Kündigung auszusprechen.

Der Senat hat weiter ausgeführt, dass bei der Bemessung der Frist davon auszugehen sei, dass die verlangten Leistungen vom Auftragnehmer bereits begonnen worden seien oder jedenfalls vorbereitet worden seien. Vor diesem Hintergrund genüge die Setzung einer relativ kurzen Nachfrist. In jedem Fall handele es sich bei der Frage der Angemessenheit einer Nachfrist um eine vom jeweiligen Einzelfall abhängende Entscheidung.

 

Praxishinweis

Im Kontext der Entscheidung des OLG Frankfurt ist zu beachten, dass mit der ständigen Rechtsprechung eine zu kurze Frist stets eine angemessene Frist in Lauf setzt. Selbst wenn der Auftraggeber eine zu kurze Frist setzt, ist dennoch eine umgehende Fertigstellung durch den Auftragnehmer erforderlich.

Ist dem Auftragnehmer eine Fertigstellung auch unter größten Anstrengungen nicht möglich, so hat er den Auftraggeber hierauf hinzuweisen. Ggf. hat er sogar einen Bauzeitenplan vorzulegen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der tab- Technik am Bau, Ausgabe 11/2022, abrufbar unter:

https://www.tab.de/artikel/das-aktuelle-baurechtsurteil-3866137.html

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