Verletzung eines Mitschülers bei Prügelei auf dem Schulhof

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 8.11.2013 — Aktenzeichen: 26 U 31/13

Geraten Schüler in Streit, fliegen gelegentlich die Fäuste. Erleidet ein Schüler dadurch eine schwere Verletzung, stellt sich die Haftungsfrage. Damit hat sich das OLG Hamm aktuell befasst.

Leitsatz
Erleidet ein Schüler in der Schule durch Faustschläge eines Mitschülers eine schwerwiegende Augenverletzung, kann der Geschädigte vom Schädiger Schmerzensgeld verlangen, soweit dieser die Verletzung billigend in Kauf genommen hat. Weitergehende, vom Vorsatz des Schädigers nicht umfasste Verletzungsfolgen sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht zu berücksichtigen.

Sachverhalt
Die Parteien waren Hauptschüler und besuchten Parallelklassen. Als sie gemeinsam Unterricht hatten, kam es zunächst zwischen dem Beklagten und einem weiteren Mitschüler zu einer Rangelei, über die sich der Kläger lustig machte. Nach dem Unterricht verließen die Schüler das Schulgebäude in Richtung Pausenhof. Dort fühlte sich der 14jährige Beklagte vom Kläger provoziert. Der Beklagte ging auf den Kläger zu und schlug im zweimal gegen das rechte Auge, der dabei neben einem blauen Auge nebst Gehirnerschütterung, mehrere schwere Verletzungen erlitt, u.a. eine schwere Augenverletzung, die operiert und stationär behandelt werden musste.

Der Kläger verlangte klageweise Schmerzensgeld von 20.000 Euro. Das Landgericht hat ein Schmerzensgeld von 500 Euro zugesprochen, wogegen sich beide Parteien mit ihren Berufungen wandten.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht urteilt ein weiteres Schmerzensgeld von 500 Euro aus; im weitergehenden Umfang scheitere der Anspruch an dem Haftungsausschluss der §§ 104, 105 SGB VII.

Das Oberlandesgericht stellt klar, dass ein sog. doppelter Vorsatz notwendig sei, der nicht nur die vorsätzliche Handlung, sondern auch die herbeigeführte Körperverletzung erfordert. Das Oberlandesgericht ging nicht davon aus, dass der Beklagte die hier eingetretene schwere Folge beabsichtigt oder dies auch nur annähernd für mögliche gehalten hat. Keine Bedenken hat das Oberlandesgericht aber, allein wegen des blauen Auges und der eingetretenen Gehirnerschütterung ein Schmerzensgeld von insgesamt 1000 Euro anzusetzen.

Anmerkung
Bei sog. Schulunfällen greift das Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII; dieses Privileg, welches die Haftung „sperrt“ wird bei Vorsatz wieder „entsperrt“, wobei Einigkeit darüber besteht, dass sich der Vorsatz auch auf die Folgen beziehen muss. Was aber ist, wenn sich dieser Vorsatz — wie hier — nur auf einen Teil der Schadensfolgen bezieht? Diese Frage ist höchstrichterlich nicht entschieden, was die Zulassung der Revision wohl gerechtfertigt hätte.

Nach der gesetzlichen Regelung ist der grundsätzlich Privilegierte zum Ersatz „des“ Personenschadens, den „ein Versicherungsfall verursacht hat“, nur verpflichtet, wenn die Person „den Versicherungsfall“ vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Gesetzesformulierung könnte dafür sprechen, den Versicherungsfall als einheitlichen Lebensvorgang zu verstehen; dann aber überzeugt die Aufspaltung in einen haftungsprivilegierten Schaden (= blaues Auge) und einen nicht privilegierten Schaden (= schwere Augenverletzung) nicht.

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