Unbedachte Risiken des „Versicherungs-Hoppings“

OLG Celle, Urteil vom 10.5.2012 — Aktenzeichen: 8 U 213/11

Leitsatz
Kann ein Versicherungsnehmer (VN) einer Wohngebäudeversicherung nicht den sog. Vollbeweis nach § 286 ZPO erbringen, wann ein Leitungswasserschaden eingetreten ist, und hat der VN innerhalb der für den Schadenseintritt in Betracht kommenden Zeitspanne den Wohngebäudeversicherer gewechselt, geht die Unklarheit bzgl. des Schadenseintrittzeitpunktes zu Lasten des VN, mit der Folge, dass dieser keine Versicherungsansprüche gegen die in Betracht kommenden Versicherer durchsetzen kann.

Sachverhalt
Der Kläger unterhielt für sein Einfamilienhaus bis zum 30.06.2003 eine Wohngebäudeversicherung bei der X-Versicherung, ab dem 01.07.2003 dann anschließend „lückenlos“ bei der Y-Versicherung, der jetzigen Beklagten. Am 24.07.2004 stellte der Kläger einen Wasserschaden in Form von Durchfeuchtungen in der Küche fest. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter äußerte sich dahingehend, dass aufgrund des Schadenbildes davon ausgegangen werden könne, dass der Schaden ursächlich bereits vor Beginn des bei der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages entstanden sein müsse. Demgegenüber kam der von der X-Versicherung beauftragte Gutachter zu der Einschätzung, dass Schadenverlauf und Schadenumfang eindeutig darauf hinwiesen, dass der Schaden allenfalls wenige Monate, u.U. sogar nur Wochen vor der Schadenfeststellung eingetreten sei. In einem selbständigen Beweisverfahren kam der gerichtlich beauftragte Gutachter zu dem Ergebnis, den genauen Schadenzeitpunkt nicht sicher feststellen zu können. Ein Schadeneintritt vor dem 01.07.2003 sei eher unwahrscheinlich, aber aus technischer Sicht nicht auszuschließen. Auch weitere vom Gericht in Auftrag gegebene Gutachten kamen zu dem Ergebnis, eine seriöse Festlegung des Schadenzeitpunktes sei nicht möglich. Im Klageverfahren hat der Kläger ausgeführt, aufgrund einer Anzahl von Umständen und Indizien sei von einem konkreten Schadeneintrittzeitpunkt während der bei der Beklagten bestehenden Gebäudeversicherung, also ab dem 01.07.2003, auszugehen. Die Beklagte habe daher bedingungsgemäß Versicherungsleistungen zur Schadenbeseitigung zu erbringen.

Entscheidung
Das OLG Celle hat mit Urteil vom 10.05.2012 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe auch im Klageverfahren nicht mit dem zu fordernden Beweismaß des Vollbeweises nach § 286 ZPO nachgewiesen, dass der Schaden ab dem 01.07.2003 und damit während des Versicherungszeitraums bei der Beklagten eingetreten sei.

Nach dem Maßstab des § 286 ZPO müsse für das Gericht zur persönlichen Gewissheit feststehen, dass der Versicherungsfall im Versicherungszeitraum bei der Beklagten eingetreten sei. Dass dies „gut möglich“ oder „überwiegend wahrscheinlich“ sei, genüge dabei nicht.

Genau diese Gewissheit sei aber aufgrund der Ergebnisse der Gutachten im Beweisverfahren ebenso wenig zu gewinnen gewesen wie aus den sonstigen Umständen. Auch streite kein Anscheinsbeweis für den Kläger, da sich ein typischer Geschehensablauf im Hinblick auf den Schadeneintritt und -verlauf gerade nicht feststellen lasse.

Schließlich ergäbe sich auch nichts anderes aus Normen des materiellen Rechts. Die hiesige Beklagte wie auch die frühere Wohngebäudeversicherung, die X-Versicherung, hafteten nur alternativ. Lasse sich, wie hier, die Haftung des einen Versicherers nicht feststellen, ergäbe sich daraus nicht zwingend im Umkehrschluss, dass der andere hafte. Spezialgesetzliche Regelungen (z.B. in § 830 Abs. 1 S.2 BGB oder § 252 S.2 BGB) seien auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht anzuwenden. Ein allgemeiner Rechtssatz dergestalt, dass alle diejenigen, die möglicherweise für einen bestimmten Erfolg einzustehen haben, dem Geschädigten haften,es sei denn, sie bewiesen, dass ihre Verantwortung ausscheide, gebe es im Versicherungsrecht aber nicht.

Das Urteil des OLG Celle zeigt, dass selbst bei einem „geglückten“ Versicherungswechsel hieraus erhebliche Risiken bestehen: Aufgrund der abgegrenzten Versicherungszeiträume läuft der VN Gefahr, bei schleichenden oder sich langsam entwickelnden und erst nach und nach zu Tage tretenden Schäden nicht mehr beweisen zu können, in welchen Versicherungzeitraum der Schadenseintritt fällt. Kann er dies nicht beweisen, droht trotz feststehender, generell versicherter Schäden, dass der VN auf seinem Schaden „sitzen bleibt“.

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