Sicherung von Notausgangstür im Pflegeheim

LG Bielefeld, Urteil vom 2.9.2015 — Aktenzeichen: 3 O 162/14

Sachverhalt
Der Versicherte der Klägerin benötigte Pflege durch eine vollstationäre Pflegeeinrichtung; aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung litt er insbesondere unter einer ausgeprägten Desorientierung. Mit seinem Rollstuhl bewegte er sich üblicherweise nur auf kurzen Strecken fort.

Am Unfalltag wurde die am anderen Ende des Flures liegende Notausgangstür vom Pflegepersonal zum Lüften etwa eine Stunde lang geöffnet. Um zu verhindern, dass die Heimbewohner die Notausgangstür benutzen, versperrte das Pflegepersonal den Notausgang mit einem mobilen, aber feststellbaren Badewannenlifter.

Wenig später war der Badewannenlifter beiseite geschoben, der Versicherte der Klägerin war die hinter der Notausgangstür liegende Feuertreppe herunter gestürzt und hatte sich schwer verletzt.

Die Klägerin begehrte Schadensersatz für die entstandenen Heilbehandlungskosten.

Entscheidung
Der Pflegeheimträger wurde zum Schadensersatz verurteilt. Der Heimvertrag verpflichtet den Pflegeheimträger zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit seiner Heimbewohner. Diese Pflichten hat der Pflegeheimträger verletzt, indem er die Notausgangstür öffnete und sie lediglich mit einem Badewannenlifter sicherte, ohne den Versicherten zu beaufsichtigen.

Das Landgericht hat offen gelassen, ob die Belüftung des Flures überhaupt durch die Notausgangstür hätte erfolgen dürfen; jedenfalls hätte die Tür während des Lüftens ordnungsgemäß gesichert werden müssen; dass die Tür gesichert werden musste, war dem Pflegeheimpersonal erkennbar bewusst, da es einen Sicherungsmechanismus gewählt hatte.

Als Schutzmaßnahme sind nach Auffassung des Landgerichts die Maßnahmen erforderlich gewesen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für notwendig und erforderlich halten durfte, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Diese Maßnahmen wurden nach Auffassung des Landgerichts im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Zwar stelle ein Badewannenlifter einen sperrigen und schweren Gegenstand dar, der durchaus geeignet erscheine, um einen Durchgang vorübergehend zu verstellen; der eigentliche Zweck des Badewannenlifters bestünde aber darin, Personen beim Ein- und Ausstieg aus der Badewanne zu helfen, nicht aber eine geöffnete Notausgangstür abzusichern.

Insofern ließ das Landgericht sogar offen, ob der Badewannenlifter — was möglich gewesen wäre — über die eingebaute Bremsfunktion festgestellt worden war oder nicht.

Das Landgericht hat dabei nicht verkannt, dass Aufsichtspflichten insbesondere für desorientierte Menschen auf die üblichen Maßnahmen begrenzt sind, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind; zumindest für die Zeit des Lüftens hätte eine Beaufsichtigung erfolgen müssen, wenn man schon einen ungeeigneten Gegenstand für die Absicherung der Notausgangstür wählt.

Letztlich konnte sich der Pflegeheimträger auch nicht damit verteidigen, dass der Versicherte der Klägerin ansonsten nur kürzere Strecken zurückgelegt hatte; denn eine Weglauftendenz war beim Versicherten bekannt, sein Verhalten war nicht vorhersehbar. Da die Notausgangstür im vorliegenden Fall für einen Zeitraum von etwa einer Stunde geöffnet war, musste für diesen Zeitraum mit einem erhöhten Bewegungsradius gerechnet werden.

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