Kenntnis des Sozialversicherungsträgers von Zahlungseinstellung bei verzögerter Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge?

BGH, Urteil vom 7.11.2013 — Aktenzeichen: IX ZR 49/13

Leitsatz
Tilgt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge über einen längeren Zeitraum jeweils mit einer Verspätung von mehreren Wochen, kann nicht automatisch die Wertung erfolgen, dass der Sozialversicherungsträger aus diesem Umstand auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste.

Sachverhalt
Die Schuldnerin zahlte von Februar bis Dezember 2006 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von ca. 16.000,00 € an die beklagte Sozialversicherungsträgerin. Monatlich wurden zwischen 1.300,00 € bis 2.300,00 € einschließlich Säumniszuschläge/ Mahngebühren gezahlt. Hintergrund war, dass die Zahlungen jeweils 3 – 4 Wochen nach Fälligkeit erfolgten. Der Sozialversicherungsträger hatte weder mit der Zwangsvollstreckung und auch nicht mit der Stellung eines Eröffnungsantrages gedroht, um die jeweiligen Zahlungen zu erzwingen. Im Februar 2007 erfolgte ein Eigenantrag. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet. Der BGH hatte den Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO auszulegen. Der BGH stellt fest, dass allein die Verspätung der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen immerhin stets um fast einen Monat über 11 Monate hinweg nicht auf eine Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungseinstellung schließen lässt. Erst eine mehrmonatige komplette Nichterfüllung von Sozialversicherungsbeiträgen führe dazu, dass daraus auf eine Zahlungseinstellung zu schließen sei. Genau dieser Sachverhalt lag erkennbar nicht vor. Da fortlaufend die Beitragsforderungen (hier einschließlich Säumniszuschläge/ Mahngebühren) vollständig erfüllt wurden, könne nicht daraus zwingend geschlossen werden, dass die Schuldnerin gegenüber anderen Gläubigern ihre Verbindlichkeit nicht erfüllt habe oder erfüllen werde.

Anmerkung
Die Entscheidung des BGH gibt dem Sozialversicherungsträger breiteren Handlungsspielraum. Wichtig ist allerdings in einer derartigen Situation, dass der Sozialversicherungsträger als Gläubiger keinen Druck erzeugt (z. B. durch Androhung des Insolvenzantrages, Androhung der ZV). Eine derartige Vorgehensweise lässt dann den Rückschluss darauf zu, dass eine Zahlungseinstellung anzunehmen ist, von der der Sozialversicherungsträger Kenntnis hat, so dass auch von der Kenntnis des Sozialversicherungsträgers vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auszugehen ist.

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