Keine Mithaftung aus Betriebsgefahr bei grobem Verstoß des Geschädigten gegen § 7 Abs.5 StVO

LG Dortmund, Urteil vom 8.8.2007 — Aktenzeichen: 21 S 55/06

Leitsatz
Verstößt der Geschädigte bei einem Fahrstreifenwechsel von der Beschleunigungsspur auf die Parallelfahrbahn der Autobahn, auf der sich ein Stau gebildet hat, gegen seine Verpflichtungen nach § 7 Abs.5 StVO, und war für den Unfallgegner der Fahrstreifenwechsel nicht wahrnehmbar, so haftet der Unfallgegner nicht, da die allenfalls zu berücksichtigende Betriebsgefahr seines Fahrzeugs vollständig hinter dem unfallursächlichen Verschulden des Geschädigten zurücktritt.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, machte Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung ihres PKW bei einem Verkehrsunfall im Bereich eines Autobahnkreuzes geltend.

Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs fuhr am Unfalltag an der Autobahnauffahrt auf. Die Tangente dieser Auffahrt verlängert sich in den rechten von 3 Fahrstreifen der Parallelfahrbahn und geht dann wiederum in eine Ausfahrt über. Der Fahrer beabsichtigte, auf die Autobahn aufzufahren und mußte daher von der rechten Auffahrspur auf die mittlere Parallelfahrbahn wechseln.

Der Verkehr auf dieser mittleren Parallelfahrbahn verlief stockend und kam immer wieder ganz zum Stillstand. Der klägerische Fahrer fuhr daher auf dem rechten Fahrstreifen bis ganz in die Nähe der Stelle, wo dieser Fahrstreifen — jetzt als Ausfahrt — nach rechts wegknickt. Dort unternahm er den Versuch des Fahrstreifenwechsels nach links.

Der beklagte Unfallgegner befand sich mit einem LKW zu diesem Zeitpunkt auf der mittleren Parallelfahrspur.

Als der klägerische Fahrer den Spurwechsel durchführte, kam es zur Berührung mit dem LKW.

Entscheidung
Das LG Dortmund hat die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche klageabweisende Urteil des Amtsgerichts abgewiesen.

Im Rahmen der nach § 17 Abs.1, 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge trete die allenfalls zu Lasten des Beklagten anzusetzende Betriebsgefahr des LKW vollständig hinter einem feststehenden, schweren Verschulden zu Lasten der Klägerin zurück.

Der Fahrer der Klägerin habe feststehend gegen seine Verpflichtungen nach § 7 Abs.5 StVO verstoßen. Danach sei der durchgeführte Fahrspurwechsel nur dann erlaubt, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Da der klägerische Fahrer beabsichtigt habe, unmittelbar vor dem im Stop-and-Go-Verkehr befindlichen LKW des Beklagten in dessen Fahrspur zu wechseln, wäre es zwingend notwendig gewesen, sich mit diesem zu verständigen (Blickkontakt), was unstreitig nicht erfolgt war. Erschwerend käme hinzu,dass der klägerische Fahrer überhaupt nicht den Versuch unternommen habe, im dem der Unfallstelle vorgelagerten Streckenabschnitt die Fahrspur zu wechseln und dafür eine gefahrlose und günstige Situation zu suchen, obschon dort bereits entsprechende Richtungspfeile (§ 41 Abs.3, 5 StVG) aufgebracht waren, die die Empfehlung zum frühzeitigen Einordnen aussprechen. Erschwerend käme weiter hinzu, dass nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen für den Beklagten objektiv keine Möglichkeit bestanden habe, den PKW während des Spurwechsels wahrzunehmen. Dies hätte auch der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs berücksichtigen müssen.

Ein Verschulden des Beklagten sei nicht gegeben, da der Fahrstreifenwechsel aus einer Position vollzogen worden sei, die für den Beklagten nicht einsehbar gewesen sei.

Die Klägerin habe daher keine Ansprüche gegen den Beklagten.

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