Haftung des Anwalts für Schäden durch rechtsfehlerhaftes Urteil

BGH, Urteil vom 18.12.2008 — Aktenzeichen: IX ZR 179/07, NJW 2009, 987 = WM 2009, 324

Verfahren
Die Klägerin nahm als Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses Mieter ihrer Wohnung auf Zahlung von Nebenkosten in Anspruch. Die Klage hatte weder vor dem Amtsgericht noch in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Erfolg; denn sowohl die Gerichte als auch die Anwälte, welche die Klägerin in der Berufungsinstanz mit ihrer Vertretung beauftragt hatte, hatten eine die Rechtsauffassung der Klägerin bestätigende Entscheidung des BGH übersehen.

Die Klägerin nahm so dann die Anwaltssozietät auf Schadensersatz in Anspruch. Anders als die Vorinstanzen hat der BGH der Klage stattgegeben.

Nach Ansicht des BGH hat die beklagte Anwaltssozietät ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Der Anwalt ist verpflichtet, die Möglichkeit zu nutzen, auf die rechtliche Beurteilung des Gerichts Einfluss zu nehmen. Dazu gehört auch der Hinweis auf eine Entscheidung des BGH, die geeignet ist, die Rechtsauffassung der Klägerin zu stützen. Diese Pflicht des Anwalts entfällt nicht deswegen, weil der Richter die Entscheidung aufgrund der beigebrachten Tatsachengrundlage trifft. Der Anwalt hat ebenso wie der Richter die Befähigung zum Richteramt oder eine gleichwertige Qualifikation. Deshalb beschränkt sich die Aufgabe des Anwalts nicht auf Beibringung der Tatsachen, sondern er ist auch zur rechtlichen Durchdringung des Falles verpflichtet.

Ob durch eine solche Pflichtverletzung dem Mandanten ein Schaden entstanden ist, hängt davon ab, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten. Hängt die Ursächlichkeit vom Ausgang eines anderen Verfahrens ab, muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre. Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, ist ohne Belang. Maßgeblich ist allein die Sicht des Regressgerichts, und zwar auch dann, wenn feststeht, welchen Ausgang das frühere Verfahren bei pflichtgemäßen Verhalten des Anwalts genommen hätte. Bei der vom BGH entschiedenen Konstellation ist davon auszugehen, dass das Gericht des Vorprozesses die Rechtsprechung des BGH berücksichtigt hätte, wenn das Gericht darauf hingewiesen worden wäre.

Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Anwalts und dem Schaden ist nicht dadurch unterbrochen worden, dass das Gericht die fragliche Rechtsauffassung selbst hätte finden müssen. Der Anwalt hat gerade die Pflicht, den Mandanten vor Fehlentscheidungen infolge nachlässiger Arbeit des zur Entscheidung berufenen Richters zu bewahren; genau dieses Risiko hat sich nach Aussicht des BGH verwirklicht.

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