Herstellervorschriften und/oder anerkannte Regeln der Technik: Was gilt?
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.7.2009 — Aktenzeichen: VII ZR 164/08
Leitsatz
Eine mit der Grundüberholung einer technischen Anlage beauftragte Fachwerkstatt hat die hierfür geltenden, über die anerkannten Regeln der Technik hinausgehenden Anforderungen des Herstellers möglicherweise dann zu beachten, wenn sie die Sicherheit des Betriebs dieser Anlage betreffen.
Sachverhalt
Der Betreiber eines Hallenbades beauftrage die Beklagte mit der Generalüberholung eines Zwölf-Zylinder-Gasmotors der Firma C. beauftragt.
Die Beklagte tauschte dabei entgegen den Wartungsvorschriften des Herstellers die Befestigungsschrauben der Kontergewichte auf der Kurbelwelle nicht aus, sondern verwendete diese nach Überprüfung erneut. Die Wartungsvorschriften der Firma C. waren der Beklagten nicht zugänglich, weil sie kein von der Firma C. autorisiertes Fachunternehmen war. Andere Hersteller vergleichbarer Motoren ließen aber zum Teil eine Weiterverwendung der Befestigungsschrauben nach Überprüfung zu.
Nach Inbetriebnahme des generalüberholten Motors riss infolge des Bruchs zweier Befestigungsschrauben ein Gegengewicht der Kurbelwelle ab und verursachte erhebliche Folgeschäden am Motor. Einen Teil der daraus entstandenen Schäden verlangt die Klägerin von der Beklagten ersetzt.
Das Landgericht hat der Klage zunächst teilweise stattgegeben. In der Berufungsinstanz wurde das Urteil des Landgerichts jedoch aufgehoben und die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Beklagten sei keine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten, weil sie mit der Weiterverwendung der Schrauben nach gewissenhafter Prüfung nicht gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen habe.
Entscheidung
Diese Einschätzung bedarf nach Ansicht des BGH einer weiteren Überprüfung:
Der BGH hebt das Berufungsurteil daher auf und verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück. Die Beklagte sei — auch nach erfolgter Sichtprüfung — möglicherweise nicht befugt gewesen, die Schrauben erneut zu verwenden. Ob ausgebaute Teile zu erneuern seien, richte sich nach den anerkannten Regeln der Technik. Über die anerkannten Regeln der Technik hinausgehende Anforderungen des Herstellers für die Grundüberholung und Wartung seien möglicherweise jedenfalls dann zu beachten, wenn sie die Sicherheit des Betriebs einer technischen Anlage beträfen. Diese Sicherheitsanforderungen fußten auf der eigenen Einschätzung des Herstellers. Der Besteller — hier der Betreiber des Hallenbades – sei regelmäßig nicht bereit, das Risiko einer anderen Einschätzung zu übernehmen. Vielmehr erwarte er, dass sich ein Fachunternehmen die Wartungsvorschriften beschaffe und diese beachte.
Genaueres müsse nun aber das OLG aufklären. Die Sache wird daher u.a. hinsichtlich des behaupteten Pflichtenverstoßes neu aufgerollt.