Zahlungsverzug reicht nicht für Zahlungsunfähigkeit

OLG Frankfurt, Urteil vom 1.8.2018 — Aktenzeichen: 4 U 188/17

Leitsatz
Allein der Zahlungsverzug auch betriebsnotwendiger Verbindlichkeiten führt nicht zwingend zur Annahme der Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners.
Entscheidung
Die Insolvenzverwalterin begehrt im Rahmen der Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO die Rückzahlung von überwiegend verspätet geleisteter Mietzahlungen.

Der Insolvenzantrag wurde am 29.11.2013 gestellt. Für die Monate September 2012 bis Februar 2013 wurde der Mietzins stets nur verspätet eingezogen, alternativ überwiesen. Es kam auch zu verschiedenen Rücklastschriften. Die Mieten für März und April 2013 konnten nicht eingezogen werden, es wurde zwischen der Beklagten und der Schuldnerin eine Teilzahlungsvereinbarung geschlossen. Die Mieten für Mai und Juni wurden erfolgreich eingezogen, jeweils aber erst im Folgemonat. Die Monate Juli und August erfolgten Rücklastschriften. Sodann schlossen Schuldnerin und Beklagte eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Inhalt, dass die Schuldnerin wöchentlich 5.550,-€ an die Beklagte zahlen sollte. Nur die erste Rate wurde gezahlt, die Schuldnerin stellte dann die Zahlung endgültig ein. Die Insolvenzverwalterin als Klägerin behauptet, die Schuldnerin sei bereits bei der ersten angefochtenen Zahlung zahlungsunfähig gewesen, die Beklagte habe hiervon aufgrund der Teilzahlungsvereinbarung, der Rücklastschriften, des Mietrückstandes Kenntnis gehabt.

Gegen das klageabweisende Urteil legt die Insolvenzverwalterin Berufung ein. Das OLG Frankfurt hält die Berufung für im Wesentlichen unbegründet. Für die Zahlungen im Zeitraum August 2012 bis Juli 2013 habe die Beklagte keine Kenntnis vom bestehenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt. Grund sei, dass in diesem Zeitraum die Beklagte noch nicht von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin habe ausgehen müssen. Erstens folge dies nicht allein aus der gewerblichen Tätigkeit der Schuldnerin. Nicht ausreichend seien die offenen Verbindlichkeiten gegen die Beklagte selbst, um von der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgehen zu können. Auch sei zu berücksichtigen, dass die offenen Mietverbindlichkeiten durch die Beklagte gestundet gewesen seien, so dass diese bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen seien. Eine Stundungsvereinbarung sei lediglich dann ein Indiz für eine drohende Zahlungsunfähigkeit, wenn damit auch die Aussage des Schuldners verbunden sei, auf andere Weise die Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen zu können. Darüber hinaus – so das OLG – habe die Schuldnerin freiwillig gezahlt. Auch reicht es nicht für die Kenntnis im Rahmen des § 133 InsO, dass der Anfechtungsgegner bloß Zweifel an der Kreditwürdigkeit habe. Es sei erforderlich, dass Kenntnis von den tatsächlichen Umständen bestand, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.

Entscheidend ist hier, dass zwar die Nichtbegleichung betriebswesentlicher Forderungen – Mietzahlungen zählen hierzu – grundsätzlich ein Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit darstellen kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese einerseits nicht unerheblich sind, andererseits über einen längere Zeitraum nicht beglichen werden, hierfür dürfte ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten erforderlich sein (BGH, Urteil vom 13.06.2006 – IX ZB 238/05).

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