Wann muss ein Verbraucher den Notar an den Vollzug einer Urkunde erinnern?

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

Ein Urkundsbeteiligter muss den Notar nicht bereits nach 5½ Monaten an den Antrag auf Eintragung eines dinglichen Wohnungsrechts erinnern, um einen Haftungsausschluss zu verhindern.

OLG Hamm, Urteil vom 14.01.2022, 11 U 11/21

Sachverhalt

Der beklagte Notar hatte zum Vollzug einer Urkunde den Antrag auf Eintragung eines dinglichen Wohnungsrechts beim Grundbuchamt zu stellen. Dieses Wohnungsrecht war in einem Ehevertrag am 11.03.2015 vereinbart worden. Am 28.08.2015 bewilligte der inzwischen geschiedene Ehemann bezüglich des Grundstücks Grundschulden über insgesamt 290.000,00 €, die am 29.09.2015 eingetragen wurden. Erst am 18.05.2016 erinnerte sich der Notar daran, den Eintragungsantrag für das Wohnungsrecht zu stellen.

Das Landgericht Paderborn hat den beklagten Notar für schadensersatzpflichtig gehalten. Dagegen richtete sich die Berufung.

Entscheidung

Das OLG Hamm bestätigt die Haftung. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden aus der verspäteten Stellung des Umschreibungsantrages zu ersetzen.

Anträge im Vollzug einer Urkunde sind nach § 53 BeurkG zu stellen, sobald die Urkunde eingereicht werden kann. Anders nur dann, wenn die Beteiligten gemeinsam etwas Anderes verlangen. Dies war hier nicht geschehen.

Dadurch, dass inzwischen die Grundschuld mit besserem Rang eingetragen war, wurde ein hinreichend konkreter Schaden dem Grunde nach ausgelöst. Das Feststellungsinteresse wurde daher bejaht, weil bereits Verjährung drohte. Der Schaden sei hinreichend konkret, besonders deshalb, weil der geschiedene Ehemann den Erlös aus der Veräußerung eines Flurstücks nicht genutzt hatte, um die Grundschuld löschen zu lassen. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass auch zukünftig weitere Zahlungsverpflichtungen des Mannes über diese Grundschuld abgesichert werden könnten.

Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Notars, die Klägerin habe ihn an den Umschreibungsantrag erinnern müssen. Solche „Rechtsmittel“ darf der Geschädigte zwar nicht schuldhaft versäumen, denn dann folgt daraus ein vollständiger Haftungsausschluss gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO in Verbindung mit § 839 Abs. 3 BGB.

Nach der Rechtsprechung des BGH muss sich vielmehr jeder, der an einem Notariatsgeschäft beteiligt ist, nach seinen Kräften dafür interessieren, ob die Eintragungen entsprechend den in der Urkunde gestellten Anträgen unverzüglich vorgenommen werden. Er muss sich daher „nach einiger Zeit“ bei dem Notar danach erkundigen, ob die Eintragung nun erfolgt ist, und muss ihn gegebenenfalls an die Erledigung erinnern.

Das OLG Hamm hält den verstrichenen Zeitraum von 5½ Monaten (danach war die Grundschuld in der Welt) nicht für ausreichend lang, um der Klägerin einen Vorwurf machen zu wollen. Denn dieser Zeitraum halte sich noch in den üblichen Bearbeitungszeiten von Grundbuchämtern, sodass bei einem Verbraucher kein Verdacht aufkommen müsse.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist interessant, weil damit weitere konkrete Orientierung gegeben wird, um den etwas konturlosen Tatbestand des „Rechtsmittels“ zu konkretisieren, wenn es sich dabei um die Erinnerung an eine erforderliche Tätigkeit des Notars handelt, die dieser vergessen hat.

Nachdem die letzten veröffentlichten Entscheidungen lange zurücklagen, darf man vermerken: Die Rechtsprechung geht nach wie vor davon aus, dass auch Verbrauchern ein ausreichendes Verständnis zugetraut wird, um überhaupt mit einer Erinnerung vorstellig werden zu müssen. Dies ist zu bejahen, wenn ein Recht erworben werden soll. Der durchschnittliche Erwerber weiß, dass für sein Eigentum oder sonstiges Recht eine Eintragung im Grundbuch erforderlich ist und dass hierüber eine Bestätigung erfolgen muss. In der Urkunde steht dies üblicherweise auch nochmals. Bei komplizierteren Geschäften kommt man dann wohl schon in Grenzbereiche.

Überzeugend ist der Hinweis des OLG Hamm, dass ein Zeitraum von knapp 6 Monaten noch nicht ausreicht, denn hier muss sich der Verbraucher bei den üblichen Bearbeitungszeiten noch nicht wundern. – In früherer Rechtsprechung wurde nach einem Zeitraum von 9 Monaten eine Erkundigungspflicht bejaht (OLG Düsseldorf), in einem weiteren Fall bei einem Zeitraum von 5 Jahren (BGH).

Ausblick

Der Fall kontrastiert in sehr interessanter Weise mit einem vom Unterzeichner zu führenden Rechtsstreit, bei dem es der Notar gut 10 Jahre lang versäumt hatte, einen Umschreibungsantrag für das Eigentum an Grundstücken zu stellen. Das Eigentum ging so erst ca. 11 Jahre nach der Beurkundung über. Der Fall lag aber anders, weil keinerlei Zwischeneintragungen zu verzeichnen waren. Sogar steuerlich waren die neuen „Eigentümer“ durchweg schon als solche behandelt worden. Lange Jahre merkte niemand, dass der formale Akt der Umschreibung im Grundbuch noch fehlte.

Jene Angelegenheit endete nicht mit einem Urteil. Das Landgericht hatte aber darauf hingewiesen, dass das Feststellungsinteresse fehlen könne. Denn ein Schaden war in dieser besonderen Grundkonstellation noch gar nicht entstanden, so dass mangels fälligem Anspruch auch keine Verjährung drohte. Es wurde nur spekuliert, ob in Zukunft vielleicht einmal eine „10-Jahres-Fristen“ nach der einen oder anderen Rechtsvorschrift zu Nachteilen führen könne. Dies reichte dem Landgericht aber nicht aus, um einen konkreten Schaden anzunehmen. Demgegenüber war im Fall des OLG Hamm durch die Zwischeneintragung der Grundschuld und dem Verhalten des Eigentümers genügend geschehen, um nach der Risiko-Schaden-Formel des BGH die Schwelle von der Vermögensgefährdung zum Schaden zu überschreiten.

(Rechtsanwalt Dr. Harald Scholz, Hamm)


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