Vorrang des Sozialrechts – BGH konkretisiert seine Aussetzungsrechtsprechung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.5.2017 — Aktenzeichen: VI ZR 501/16

Arbeitsunfall: Vorrang des Unfallversicherungsträgers und der Sozialgerichte vor den Zivilgerichten bei der Beurteilung unfallversicherungsrechtlicher Vorfragen. Beurteilung der Haftung des Schädigers im Hinblick auf die Privilegierung eines weiteren Schädigers nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses.

Leitsatz
1. § 108 SGB VII räumt den Stellen, die für die Beurteilung sozialrechtlicher Fragen originär zuständig sind, hinsichtlich der Beurteilung bestimmter unfallversicherungsrechtlicher Vorfragen den Vorrang vor den Zivilgerichten ein. Diesen Vorrang haben die Zivilgerichte von Amts wegen zu berücksichtigen; er setzt der eigenen Sachprüfung — auch des Revisionsgerichts — Grenzen.(Rn.11)

2. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen einer sozialversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegierung in der Person des in Anspruch genommenen Schädigers aus der uneingeschränkten Prüfungskompetenz der Zivilgerichte unterliegenden Gründen zwar nicht erfüllt sind, sich aber die Frage stellt, ob seine Haftung in Hinblick auf die Privilegierung eines weiteren Schädigers nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses beschränkt ist.(Rn.13)

Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus gemäß § 6 Abs. 1 EFZG übergegangenem Recht ihres Arbeitnehmers auf Ersatz des diesem infolge eines Unfalls entstandenen Erwerbsschadens in Anspruch.

Die Klägerin betreibt ein Transportunternehmen. Sie wurde von der Beklagten, die ein Bedachungsunternehmen betreibt, damit beauftragt, Kies für die Befüllung zweier nebeneinander liegender Garagendächer auf einer Baustelle anzuliefern. Zu diesem Zweck fuhr der bei der Klägerin angestellte Kraftfahrer mit einem Betonmischer mit Förderband zu der Baustelle. Die beiden Garagen stehen in ca. 1 bis 1,5 m Abstand zueinander. Zwischen den Garagendächern hatten die Mitarbeiter der Beklagten eine Bockleiter aufgestellt. Zwei Mitarbeiter der Beklagten waren bereits auf das erste Dach gestiegen. Um den Kies auf die Garagendächer aufzubringen, musste auch der Arbeitnehmer der Klägerin auf das Garagendach steigen. Im Rahmen der Befüllung der Flachdächer war er dafür zuständig, den Kies mittels Fernbedienung auf die Dächer zu befördern; die Mitarbeiter der Beklagten sollten den Kies dann auf den Dächern verteilen. Nachdem das erste Garagendach befüllt war, stieg ein Mitarbeiter der Beklagten die Leiter hinunter, stellte diese an der nächsten Garage auf und stieg auf das andere Dach. Danach stieß er die Leiter zu den auf dem ersten Garagendach verbliebenen Arbeitern. Bei dem Versuch, von dem ersten Dach hinunterzusteigen, kam der Mitarbeiterin der Klägerin an der zweiten Stufe von oben zu Fall und brach sich den linken Arm. Die Klägerin zahlte das zustehende Arbeitsentgelt fort.

3 Die Klägerin macht geltend, die Leiter sei zusammengeklappt, als Herr W. herabgestiegen sei. Sie ist der Auffassung, es sei Sache der Mitarbeiter der Beklagten gewesen, für die Sicherheit bei der Nutzung der verwendeten Leiter zu sorgen.

4 Das Amtsgericht hat die auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 4.619,98 € gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidung
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne offen bleiben, ob dem Arbeitnehmer der Klägerin infolge des Unfalls im Grundsatz ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 278 BGB oder ein deliktischer Schadensersatzanspruch aus § 831 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte erwachsen sei. Denn zugunsten der Mitarbeiter der Beklagten greife die Haftungsprivilegierung des § 106 Abs. 3 Alt. 3, § 105 Abs. 1 SGB VII. Der Unfall habe sich bei einer vorübergehenden betrieblichen Tätigkeit von Mitarbeitern der Klägerin und der Beklagten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet. Diese Haftungsprivilegierung komme der — nicht durch ein selbst auf der Betriebsstätte tätiges Organ handelnden — Beklagten über die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs zugute. Dies gelte nicht nur für den deliktischen Anspruch, sondern auch für einen möglichen vertraglichen Anspruch des Herrn W. gegen die Beklagte. Der Rechtsgedanke des § 840 Abs. 2 BGB sei auf die vertragliche Haftung zu erstrecken. Hafte der Vertragspartner lediglich aufgrund des ihm nach § 278 BGB zugerechneten Verschuldens seines Erfüllungsgehilfen und könne ihm kein eigenes Verschulden (Organisationsfehler etc.) vorgeworfen werden, so hafte der Erfüllungsgehilfe im Innenverhältnis allein. Eine Haftung der Beklagten wäre nur dann zu bejahen, wenn diese eine eigene Verantwortlichkeit zur Schadensverhütung getroffen und im Zusammenhang damit stehende Pflichten verletzt habe. Dies habe die Klägerin aber nicht behauptet. Zur Klärung der Frage, ob der Rechtsgedanke des § 840 Abs. 2 BGB auch bei einer vertraglichen Haftung des Geschäftsherrn zur Anwendung kommt, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der BGH: Das angefochtene Urteil unterliegt der Aufhebung, weil das Berufungsgericht die Bestimmung des § 108 SGB VII nicht beachtet hat. Es hat die Tatbestandsvoraussetzungen der in § 106 Abs. 3 Alt. 3 i.V.m. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geregelten Haftungsprivilegierung für gegeben erachtet, ohne den den Unfallversicherungsträgern bzw. Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zukommenden Vorrang hinsichtlich der Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Vorfragen zu beachten.

a) Gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII sind Gerichte außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit bei Entscheidungen über die in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Ansprüche unter anderem hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte gebunden. Nach § 108 Abs. 2 SGB VII hat das Gericht sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach Absatz 1 ergangen ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt es dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist.

Die Vorschrift verfolgt das Ziel, divergierende Beurteilungen zu vermeiden und eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten. Für den Geschädigten untragbare Ergebnisse, die sich ergeben könnten, wenn zwischen den Zivilgerichten und den Unfallversicherungsträgern bzw. Sozialgerichten unterschiedliche Auffassungen über das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestehen und dem Geschädigten deshalb weder Schadensersatz noch eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zuerkannt wird, sollen verhindert werden. Aus diesem Grund räumt § 108 SGB VII den Stellen, die für die Beurteilung sozialrechtlicher Fragen originär zuständig sind, hinsichtlich der Beurteilung bestimmter unfallversicherungsrechtlicher Vorfragen den Vorrang vor den Zivilgerichten ein. Diesen Vorrang haben die Zivilgerichte von Amts wegen zu berücksichtigen; er setzt der eigenen Sachprüfung — auch des Revisionsgerichts — Grenzen.

b) Der den Unfallversicherungsträgern bzw. Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in § 108 SGB VII eingeräumte Vorrang bezieht sich nicht nur auf die Entscheidung, ob ein Unfall — wie in § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vorausgesetzt — als Versicherungsfall zu qualifizieren ist, sondern erstreckt sich auch auf die Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte — wie in § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII gefordert — im Unfallzeitpunkt Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung war. Denn die Versicherteneigenschaft ist eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) und damit als Versicherungsfall (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Eine eigenständige Beurteilung dieser Fragen ist den Zivilgerichten dementsprechend grundsätzlich verwehrt. Da sie die vorrangige Entscheidungszuständigkeit der Unfallversicherungsträger bzw. der Sozialgerichte von Amts wegen zu berücksichtigen haben, sind Feststellungen dazu, in welchem Umfang die Bindungswirkung gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII eingetreten ist, zwingend erforderlich.

c) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Voraussetzungen einer sozialversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegierung in der Person des in Anspruch genommenen Schädigers aus der uneingeschränkten Prüfungskompetenz der Zivilgerichte unterliegenden Gründen zwar nicht erfüllt sind, sich aber die Frage stellt, ob seine Haftung in Hinblick auf die Privilegierung eines weiteren Schädigers nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses beschränkt ist.

Denn die Anwendbarkeit des § 108 SGB VII hängt nicht davon ab, dass eine Haftungsbefreiung des in Anspruch genommenen Schädigers unmittelbar aufgrund der §§ 104 bis 106 SGB VII in Betracht kommt. Maßgeblich ist ausweislich des klaren Wortlauts der Bestimmung allein, dass ein Gericht außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit über „Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art“ zu entscheiden hat. „Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art“ sind aber jegliche Ansprüche vertraglicher oder deiktischer Natur, die auf Ersatz des Personenschadens gerichtet sind und auf ein Geschehen gestützt werden, das einen Versicherungsfall darstellen kann. Hierzu gehören auch die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche des bei der Verbringung des gelieferten Kieses auf die Flachdächer verunglückten Mitarbeiters der Klägerin gegen die nicht durch ein selbst auf der Betriebsstätte tätiges Organ handelnde Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, § 278, § 831 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB auf Ersatz seines Erwerbsschadens. Eine andere Beurteilung liefe der Intention des Gesetzgebers zuwider, divergierende Beurteilungen zu vermeiden und eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten.

d) Mit diesen Grundsätzen steht das angefochtene Urteil nicht in Einklang. Die getroffenen Feststellungen lassen nicht erkennen, ob und in welchem Umfang eine Bindungswirkung gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII eingetreten ist. Ihnen ist weder zu entnehmen, ob im Streitfall überhaupt eine Entscheidung eines Unfallversicherungsträgers oder Sozialgerichts über das Vorliegen eines Versicherungsfalls ergangen ist, noch lassen sie Rückschlüsse darauf zu, ob eine solche Entscheidung für die Parteien unanfechtbar geworden ist und damit Bindungswirkung entfaltet. Die Unanfechtbarkeit setzt voraus, dass der Bescheid des Unfallversicherungsträgers gemäß § 77 SGG bestandskräftig oder das Sozialgerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Bestandskraft kann gegenüber den Parteien aber nur dann eingetreten sein, wenn sie in der gebotenen Weise am sozialversicherungsrechtlichen Verfahren beteiligt worden sind. Denn ihre Rechte dürfen durch die Bindungswirkung nach § 108 SGB VII nicht verkürzt werden. Um das rechtliche Gehör von Personen, für die der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, zu gewährleisten, bestimmt § 12 Abs. 2 SGB X, dass sie zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind. Für die Anwendung dieser Vorschrift reicht es aus, dass der Bescheid ihre Rechtsstellung nachteilig berührt oder berühren kann.

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den Einwänden der Parteien in den Rechtsmittelschriften zu befassen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Fehlt es an einer für beide Parteien unanfechtbaren Entscheidung des Unfallversicherungsträgers oder eines Sozialgerichts über das Vorliegen eines Versicherungsfalls, so ist der Rechtsstreit nur dann gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII auszusetzen, wenn die — vom Berufungsgericht bislang lediglich unterstellte — vertragliche oder deliktische Haftung der Beklagten im Grundsatz zu bejahen ist. Sind dagegen schon die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Normen nicht erfüllt, so ist die Frage, ob der Beklagten eine Haftungsprivilegierung ihrer Mitarbeiter gemäß § 106 Abs. 3 Alt. 3, § 105 Abs. 1 SGB VII nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zu Gute kommt, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich.

Ist der Unfall des Arbeitnehmers der Klägerin in einem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren als Arbeitsunfall anerkannt worden und entfaltet diese Entscheidung für beide Parteien Bindungswirkung, so kann die (unterstellte) Haftung der Beklagten in Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Privilegierung ihrer Mitarbeiter gemäß § 106 Abs. 3 Alt. 3, § 105 Abs. 1 SGB VII nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses beschränkt oder ausgeschlossen sein.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats können in den Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre. Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Zweitschädiger „in Höhe des Verantwortungsteils“ freizustellen, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinwegdenkt. Dabei ist unter „Verantwortungsteil“ die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der Eigenanteil des betreffenden Schädigers an der Schadenentstehung zu verstehen.

b) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Beklagte nicht (oder nicht nur) deliktisch, sondern wegen der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten (auch) vertraglich zum Ersatz des dem Arbeitnehmer der Klägerin entstandenen Personenschadens verpflichtet wäre (§ 280 Abs. 1, § 278 BGB in Verbindung mit einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte). Denn auch in diesem Fall bestände zwischen der Beklagten und ihren (unterstellt) deliktisch haftenden Mitarbeitern — lässt man die sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung außer Betracht — ein Gesamtschuldverhältnis. Die Beklagte wäre verpflichtet, dasselbe Gläubigerinteresse zu befriedigen wie ihre wegen der Verletzung deliktischer Verkehrssicherungspflichten haftenden Mitarbeiter. Die für die Annahme einer Gesamtschuld erforderliche Gleichstufigkeit der Verpflichtungen folgte daraus, dass weder die Beklagte noch ihre Mitarbeiter nur subsidiär oder vorläufig für die Verpflichtung des jeweils anderen einstehen müssten.

Der hypothetische Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern bestimmte sich ebenfalls nach den eben aufgezeigten Grundsätzen. Selbst wenn die Beklagte auch oder nur vertraglich haftete, käme es für die Beurteilung der Frage, was auf sie als „außenstehende“ Zweitschädigerin im Innenverhältnis zu ihren Mitarbeitern (privilegierte Erstschäbiger) entfiele, wenn die Schadenverteilung nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung gestört wäre, maßgeblich auf die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit auf das Gewicht ihres Beitrags an der Schadensentstehung an. Der Konflikt entsteht letztlich durch ein Zusammentreffen der beiden grundsätzlich unterschiedlichen Unfallhaftungssysteme der Sozialversicherung und des deliktischen (oder anderen) Haftpflichtrechts. Es erscheint sinngemäß und angemessen, wenn der Geschädigte daher die Möglichkeiten beider Regelungsbereiche lediglich nach den in ihnen entstandenen Verantwortungsteilen in Anspruch nehmen kann. Hierfür bedarf es nicht der Heranziehung des § 840 Abs. 2 BGB. Dieses Ergebnis folgt vielmehr bereits aus der Bestimmung des § 254 BGB, nach der sich die Verteilung des Schadens im Innenverhältnis mehrerer Ersatzpflichtiger richtet. Ebenso wie aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Pflicht verletzt hat, sich im Innenausgleich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, in der Erfüllung eben dieser Pflicht nicht genügend überwacht worden zu sein.

c) Träfe die Beklagte dementsprechend kein „Eigenanteil“ an der Schadensentstehung in Form einer eigenen Organisation- oder Verkehrssicherungspflichtverletzung und beruhte ihre Haftung lediglich auf einer Zurechnung fremden Verschuldens (§ 278 BGB), wäre sie nicht zum Ersatz des dem geschädigten Arbeitnehmer der Klägerin entstandenen Personenschadens verpflichtet.

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