Viele kleine Pflichtverletzungen berechtigen zur Kündigung
Ein Bauvertrag kann wegen zerstörtem Vertrauensverhältnis auch dann gekündigt werden, wenn es nicht nur eine besonders schwere Vertragspflichtverletzung gibt, sondern viele leichte.
OLG Dresden, Urteil vom 17. November 2020, Az. 6 U 349/20
Leitsätze
1. Ein Bauvertrag kann aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Bauvertragsparteien zerstört ist.
2. Eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses kann entweder auf einzelnen besonders schwer wiegenden Vertragspflichtverletzungen beruhen oder sich aus einer ganzen Reihe von Pflichtverletzungen, die jeweils für sich genommen zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung nicht ausreichend wären, im Rahmen einer Gesamtabwägung ergeben.
3. Eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung ist in Fällen der schwer wiegenden Vertragsverletzung in der Regel nicht erforderlich.
Sachverhalt
Die Parteien schließen zwei Bauverträge und beziehen die VOB/B ein. Unmittelbar nach Beauftragung treten Differenzen auf. Die Parteien vereinbaren, eine Taskforce einzusetzen. Eine Einigung gelingt nicht. Am 22. Februar 2007 rügt der Auftraggeber verschiedene Vertragsverletzungen . Er fordert vom Auftragnehmer deren Beseitigung bis zum 6. März 2007. Zugleich droht er die Kündigung an. Einen Tag später stellt er aber klar, dass er dennoch an der Erfüllung des bisherigen Vertragsinhalts festhalte. Der Auftragnehmer wiederum stellt am 7. März 2007 in insgesamt 24 Schreiben Forderungen an den Auftraggeber, u.a. soll er die vollständige Ausführungsplanung vorlegen. Am Folgetag kündigt der Auftraggeber beide Bauverträge aus wichtigem Grund. Er begründet dies mit einer unterbliebenen Fortschreibung des Detailterminplans, einer verzögerten Betoninstandsetzung, einer unzureichenden Baustellenbesetzung sowie der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses wegen einer fortgesetzten Vertragsuntreue des Auftragnehmers. Der Auftraggeber klagt auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten.
Entscheidung
Das LG weist die Klage des Auftraggebers ab, die Berufung aber hat Erfolg. Nach Ansicht des OLG seien die Bauverträge aufgrund des zerstörten Vertrauensverhältnisses wirksam außerordentlich gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B gekündigt worden. Eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses könne sich im Rahmen einer Gesamtabwägung aus einer ganzen Reihe von kleinen Pflichtverletzungen, die jeweils für sich genommen nicht ausreichend wären, ergeben. Es sei zu berücksichtigen, dass eine Task Force eingesetzt worden sei und die Parteien gesteigerte Bemühungen an den Tag hätten legen müssen. Der Auftragnehmer habe weder zu einer gesteigerten Kooperation noch zu einer Beschleunigung des Bauvorhabens beigetragen, sondern im Gegenteil eine Blockadehaltung eingenommen, urteilt das Gericht.